Waldis, Burcard – Psalm XXII. Deus deus meus.

Weissagung vom Leiden und aufferstehung Christi, erlösung menschlichs geschlechts, unnd ehre Göttlichs namens.

DA Christus an dem Creutze hieng
in schmach zu unsern ehren,
Für unser schuldt die straff empfieng,
rieff er zu got dem herren:
„Mein Got, Mein Got, wie hastu mich
so gentzlich ubergeben!
Ich ruff und schrei, kein hülff nit sih,
es geht mir an dz leben!
Ruff tag und nacht,
doch wirt meins schreiens nit gedacht!

Du aber wonst im heiligthumb
und Israel dich preiset,
Du bist gewest der vätter rhum,
den du stedts gnad beweisest
In aller not, die sie anfacht,
reychtstu in deine hande,
Auß jrem leyd und trübniß bracht,
sie wurden nit zuschanden,
all jr geschrei
erhörtestu und machtst sie frei.

Ich aber bin ein wurm veracht
und keinem menschen gleiche,
Verspeit von iederman belacht,
mich hönt beyd arm und reiche,
All, die mich sehen, spotten mein,
gegn mir jr maul auffsperren,
Sprechen: Wie bsteht er nun so fein!
wie rufft er nit zum HERREN,
daß Er ietz käm
und hülff jm, hat Er lust zu jm?

Dennoch bistu mein Got und hort
auß meiner mutter leibe,
Ich bin dein Son und ewig Wort,
Mensch geborn von einem weibe!
Auff dich mich stedts verlassen hab
von meiner mutter brüsten,
Drumb laß in diser angst nit ab,
mich auß der not zu fristen!
sunst ist niemand,
der mir ietz reycht der hülffen hand.

Groß Ochsen und vil feyster Stier
mich gwaltiglich umbringen,
Sperrn auff jrn rachen gegen mir,
wie Löwen mich verschlingen,
Bin wie ein wasser auß gestürtzt,
mein hertz wie wachs zerflossen,
Mein safft vertrucknet und verkürtzt,
gantz trostloß und verlassen,
mein zung anklebt
und ist nichts mehr an mir, das lebt.

Es rotten sich vil böser hund
mich gar umbgeben haben,
Han mir mein hend und füß verwundt,
mit negeln gar durchgraben,
Gantz außgereckt hang ich hie bloß,
all mein gebein möcht zelen,
Umb mein kleydt werffen sie daß loß
und meinen rock verspielen,
mein schmach und pein
lassens jrs hertzen freude sein.

Doch wirstu mich auß diesem leyd
vom todt und Hellschem schrecken
Bringen zu grosser herligkeyt,
am dritten tag erwecken,
Daß ich deins Namens ehr und rhum
meinn Brüdern mög verkünden,
Daß man durch Gnad allein wirdt fromb,
erlöst von Todt und Sünden,
Von pein der Hell,
des frewt sich Jacob und Israel!

Dann du, HERR Got, hast nit verschmeht
den elenden und armen!
Dein gnad ubr all gar reichlich geht,
läßst dich der welt erbarmen!
Vom Auffgang biß zum Nidergang
mit deinem wort sie peisest!
Des sagen dir die frommen danck,
den du solch gnad beweisest,
und frewen sich,
daß sie solln leben Ewiglich!

Dann wirdt dein nam gepredigt recht,
wann mich die Heyden ehren,
Für mir anbetten all geschlecht
und sich zu mir bekeren,
König und Fürsten alle die,
beyd armen und geringen,
Für mir solln biegen jre knie,
zu meinem Reich eindringen,
daß sich dein ehr
biß an das end der welt vermehr.“

Dein Sam bleibt in der Christenheyt,
deimn Namen zu verkünden
Von gschlecht zu gschlecht wirdt außgebreyt,
von kind zu kindes kinden,
Daß wir von Sünd gewaschen reyn
auffs new werden geboren:
Das thustu, HERR und Got, allein
an den, die du erkoren
durch Jesum Christ,
der unser Got und heyland ist.

Dein Nam, Vatter im himelreich,
muß hie geheilget werden,
Und widerfar dein gnad alln gleich,
dein will gescheh auff erden
Der maß wie dort im himel hoch,
den leib wöllst uns erneren,
Laß uns die schuldt gnediglich nach,
wöllst unser feind bekeren,
auß allem leydt
hilff uns zur Ewign seligkeyt!

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