Gottfried Arnold – Um völlige Jesusliebe.

Mein Heiland, lehre mich recht lieben Dich!
Ach, ohne Dich lebt man gar jämmerlich;
Du aber hast ja Lust zum Leben nur,
Drum führe mich auf deine Liebesspur!

Ich kann ja von mir selbst Dich lieben nicht;
Drum gib mir Du den rechten Unterricht,
Dass ich Dich lieb‘, dein Lieben fasse recht,
Und bleib‘ in deiner Liebe recht und schlecht.

Dies ist dein größtes Wert; das schaff in mir,
Dass ich, o Herr, Dich liebe für und für!
Ach lass mich ohne Dich nicht leben mehr,
Gib mir Dich ganz mit deiner Liebe her!

In fremden Dingen kann das Herz nicht ruh’n,
Ohn‘ deine Liebe kann’s nur Sünde tun;
Drum leid‘ es nicht, o Liebe, dass in mir
Zur Liebe sich was rege außer Dir!

Gibst Du Dich mir, o große Liebesmacht,
So liebst Du Dich in mir selbst Tag und Nacht!
Aus mir, o Herr, kommt falsche Liebe her;
In Dir ich wahre Liebe nur begehr‘.

Ach gib Dich mir, weil Du die liebe bist!
Sei Du das Brot, das meine Seele isst!
lass keine andre Kraft mich nehmen ein,
Als jene Macht, Dich stets zu lieben rein!

Komm, schaff in mir, dass ich Dich lieben kann,
O Jesu Christ, Du bist der rechte Mann!
Du, der zuerst so zärtlich mich geliebt,
Bist würdig, dass die Seele Dir sich gibt!

Gottfried Arnold – Um völlige Liebe.

O stilles Lamm, o sanftes Wesen!
Wann wird‘ ich Dir doch ähnlich sein,
Dass meine Seel in Dir genesen
Und durch dein Blut kann werden rein?

Ach lass mich seine Kraft durchdringen!
Ach, zeuch mich in dein Herz hinein!
Lass mir’s den tiefsten Frieden bringen,
Darin ich mag verwahret sein!

Tilg‘ meines wilden Feuers Toben!
Nimm hin des Grimmes Heftigkeit,
Und lass mich Dich im Stillen loben
Mit göttlicher Gelassenheit!

Sanftmütig, still und eingezogen,
Bescheiden und in Einfalt weis,
Von Herzen niedrig und gebogen,
Bedachtsam mach‘ mich, Dir zum Preis!

Bin ich von deiner Hand gesetzet,
So ist der Erdkreis völlig mein,
Weil mich kein Sterben mehr verletzet,
Und Friedenspalmen mir gedeih’n.

Ach, holde Sanftmut! mach‘ doch süße
Mein bittres Herz, damit noch hier
Ich deine Leidensfrucht genieße
Und rein in Liebe steh‘ vor Dir!

Albert Zeller – O hätt ich nur die rechte Liebe

O hätt ich nur die rechte Liebe,
Die nichts, als ihren Jesum wüsste;
Die es von Grund der Seele triebe,
Dass sie den Sohn des Heiles küsste!

Dass ich an seinem Herzen ruhte,
Am Herzen voller Gnad und Milde,
Gereiniget mit seinem Blute,
Verklärt von seinem heilgen Bilde!

Dass ich in seiner Treue stünde,
Die nur des Vaters Willen kannte,
Und auch von der geringsten Sünde
Sich weg in hohem Zürnen wandte!

O könnt ich glauben, könnt ich beten,
Wie ers getan in Geist und Wahrheit,
So kindlich vor den Vater treten,
Und dauen seine Gnad und Klarheit!

Könnt ich so heldenmütig streiten,
Den Reiz der Welt so überwinden,
Und meines Gottes Lieblichkeiten
In jeder Lilie wieder finden!

O dass ich Alle so umfasste
Mit solchen reichen Liebeskräften,
Und für den Schlimmsten, der mich haste,
Mich ließ ans Kreuz mit Freuden heften!

Das wär ein selig Leben, Sterben;
Ein Vorschmack von des Himmels Frieden:
Was wollt ich weiter noch erwerben
Auf meinem Gang zu ihn hienieden?

Und hat er Weniger verheißen,
Will er uns denn nicht Alles geben?
Mit Himmelskost den Pilgrim speisen,
Und mit dem Safte seiner Reben?

Wenn wir an ihm wie Zweige hangen,
Am Baume seines reinen Lebens,
Und keine andre Lust verlangen,
Dann bitten wir ja nicht vergebens!

Und was der Vater ihm verliehen,
Das schenkt er uns aus seiner Fülle:
Denn Alle will er zu sich ziehen
Aus dieses Staubes niedrer Hülle.

Gottfried Arnold – Das beste Gut.

Die rechte Liebe zielt auf Tugend,
Sie kennet keinen falschen Schein;
Sie zieht auch in der zarten Jugend
Bei gottgelass’nen Herzen ein.
Wer seinen Sinn vor Allem Gott ergibt,
Von Solchem wird das beste Gut geliebt.

Das tröstet reichlich sein Gemüte,
Wenn er auch noch so einsam ist,
Weil stets ein Glanz von Gottes Güte
Das wohlgeübte Herz begrüßt.
Die Liebe scheut den größten Kummer nicht,
Warum? weil sie das liebste Gut verspricht.

Wo aber die verkehrten Sinnen
Auf eitle Torheit sind bedacht,
Da muss wohl Lieb und Trost zerrinnen,
Und was die Seele vor sich bracht;
Warum? Man hat die Vielheit zwar erwählt,
Wo bei der Lust das ein’ge Gut doch fehlt.

So wenig als der Sonne Blicken
Jemals kann ohne Wärme sein,
So wenig kommt auch ohn‘ Erquicken
Das höchste Gut gezogen ein.
Drum wer sich treu nach diesem Gut umsieht,
Der bleibe dann um Alles unbemüht!

Albert Zeller – Liebe höret nimmer auf

Liebe höret nimmer auf,
Fort und fort zu sorgen;
Sorgen ist ihr Lebenslauf
Heute so wie morgen.

Wie es wohl den Lieben geht
In der weiten Ferne?
Alle Wolken fraget sie,
Sonne, Mond und Sterne.

Wie ihr Leben Sorgen ist,
Ist es auch Vertrauen;
Denn sie liebt es immerdar,
Auf den Herrn zu schauen.

Der ein Herz zu lieben gab,
Muss gewisslich lieben,
Und er sorget fort und fort,
Hüben so wie drüben.

Darum fürcht und hoffe nur,
Aber mit Vertrauen!
Hoffen, Glauben wandelt sich
Leise dann in Schauen.

Grafe, Hermann Heinrich – O lasset uns ihn lieben

1
O lasset uns Ihn lieben,
der uns zuerst geliebt,
und nicht den Geist betrüben,
den uns der Heiland gibt!
Nach Ihm sei das Verlangen,
der Sich uns nahgebracht,
die Liebe zu empfangen,
die uns so selig macht!

2
O lasset uns Ihn lieben,
der uns zuerst geliebt!
Am Kreuze steht’s geschrieben,
was Er für Liebe übt:
Er ist für uns gestorben,
bedeckt mit unsrer Schuld;
so hat Er uns erworben
des Vaters Herz und Huld.

3
O lasset uns Ihn lieben,
der uns zuerst geliebt,
uns in der Liebe üben,
die andern gern vergibt,
die in dem Bruder ehret
des Heilands Ebenbild,
zu dienen nur begehret,
von Christi Sinn erfüllt.

4
Ja, lasset uns Ihn lieben,
der uns zuerst geliebt!
Von Seinem Geist getrieben,
es keine Schranken gibt.
So sehr wir an Ihm hangen,
der uns zuerst geliebt,
so sehr wir auch verlangen,
dass unser Herz Ihn liebt.

Gottfried Arnold – Um ewige Liebe zu Jesu

Ich hab‘ Ihn dennoch lieb,
Und bleibe an Ihm hangen;
Er nur ist meine Lust,
Er einzig mein Verlangen!
Fall‘ ich auch öfters noch
Aus meiner Liebespflicht,
So trennet solches doch
Die treue Liebe nicht.

O hätt‘ ich stets die Kraft,
Die ich mir wünschen wollte,
Dass ich nur stets in Ihm
Erfunden werden sollte!
Gewiss, ich bliebe treu,
Er sollte noch an mir
Erleben seine Luft
Und seines Namens Zier!

Das Wollen und der Mut
Sind da, wenn gleich zu Zeiten und
Mir das Vollbringen fehlt;
Ich sehe täglich streiten,
In mir mit Fleisch und Blut
Den stillen Jesussinn,
Weil ich annoch ein Kind
In seiner Liebe bin.

Doch werd‘ ich dermaleinst
Zu meiner Mannheit kommen
Wie will ich Ihm so treu
Verbleiben, meinem Frommen,
Dem König meines Heils!
Ach, gegen Ihn allein
Soll dann von ew’ger Glut
Mein Herz entzündet sein!

Komm, Jesu, zünde an
Den Willen, die Gedanken
Und Alles, was in mir!
Dann werd‘ ich nimmer wanken.
Hilf mir zu meiner Pflicht,
Entflamme gegen Dich
Mein Herz, so bleib‘ ich treu
Dir, liebster, ewiglich!

Arnold, Gottfried – Um völlige Liebe Gottes.

Gott ist ganz mein, und ich bin Sein;
Den Einen lieb‘ ich ganz allein;
Und was ich also liebe,
Das liebt auch unaussprechlich mich,
Und zieht mich mit Gewalt in sich,
Wie wenn ein Strom mich triebe.
Ja, was mich also ziehet hin,
Des bin ich mehr, als ich mein bin.

Drum, wer von Gott die Lieb‘ erlangt,
Dass er Ihm wesentlich anhangt,
Der wird ein Kind der liebe
Durch Ihn, der selbst die Liebe heißt
Und ihn mit seinem Leben speist;
Was ist’s, das den betrübe?
Er ist ja mein, sobald ich Ihn
Erwähl‘, und nicht mein eigen bin!

Ach, wer hat wahre Seligkeit,
Als, den die Liebe zubereit’t
Und göttlich überwunden;
Wo Liebe von der Liebe Stärk
Erobert ist, und Gottes Werk
Die Seel‘ in sich gefunden?
O reine, wesentliche Lieb‘,
Ich fleh‘ um deinen ew’gen Trieb!

Da wird nichts mehr, als lieb‘ allein
Und Herz mit Herz vereinigt sein
In stolzer Gottesruhe.
Da wird nur Jesus in der Brust
Gebieten, dass Sein Geist mit Lust
Mir Gut’s um Gutes tue.
O Jesu! möchten Alle dein,
Und Du in Allen Alles sein!

Zinzendorf, Nikolaus von – Liebe zu Jesu und Sehnsucht nach Ihm.

Jesu! Deiner zu gedenken,
Kann dem Herzen Freude schenken;
Doch mit welchen Himmelstränken,
Labt uns Deine Gegenwart!

Lieblicher hat Nichts geklungen,
Holder ist noch Nichts gesungen,
Sanfter Nichts in’s Herz gedrungen,
Als mein Jesus, Gottes Sohn;

Tröstlich, wenn man reuig stehet,
Herzlich, wenn man vor Dir flehet,
Lieblich, wenn man zu Dir gebet,
Unaussprechlich, wenn Du da!

Du erquickst das Herz von innen,
Lebensquell und Licht der Sinnen!
Freude muss vor Dir zerrinnen;
Niemand sehnt sich gnug nach Dir!

Schweigt, ihr ungeübten Zungen!
Welches Lied hat Ihn besungen?
Niemand weiß, als Der’s errungen,
Was die Liebe Christi sei.

Mit Maria will ich flehen,
Ich will früh zum Grabe gehen,
Und Ihm nach dem Herzen sehen
Mit den Augen des Gemüts.

Ich erfüll‘ das Grab mit Tränen,
Und den Ort mit Ach und Stöhnen;
Hingebückt mit heißem Sehnen,
Wind‘ ich mich um Seinen Fuß.

Jesu, wunderbarer König,
Dem die Völker untertänig!
Alles ist vor Dir zu wenig:
Du allein bist liebenswert!

Lieber HErr! bleib‘ in der Nähe,
Dass Dein Licht im Geist entstehe,
Und die Finsternis vergebe,
Und wir schmecken Deine Kraft!

Wenn Du uns trittst vor’s Gesichte,
Wird es in dem Herzen lichte,
Alles Eitle wird zunichte,
Und die Liebe glühet auf.

Ach, Du hast für uns gelitten,
Wolltest all Dein Blut ausschütten,
Hast vom Tod uns losgestritten
Und zur Gottesschau gebracht!

Guter Jesu, lass mir’s glücken!
Deine Fülle mich erquicken;
Und die Glorie mich erblicken,
HErr, durch Deine Gegenwart!

Sich in Deine Liebe hüllen,
Kann die Seel‘ auf ewig stillen,
Sonder allem Ekel füllen,
Und doch hungert sie nach Dir!

Hunger kriegen, die Dich schmecken;
Dein Genuss pflegt Durst zu wecken,
Sehnsucht, sich nach Nichts zu strecken,
Als nach Dem, den’s Herze meint.

Tausendmal geht mein Verlangen,
HErr, nach Dir, Dich zu empfangen:
Aber wann kommst Du gegangen,
Und ersättigst mich mit Dir?

Deine Liebe ist unendlich,
Meine Sehnsucht unabwendlich;
Süßer Freund, Du bist mir kenntlich
Als der ew’ge Lebensbaum.

Jesu, Deine Wundergüte
Ist zu hoch für mein Geblüte:
Aber Kraft für mein Gemüte.
Deine Liebe binde mich!

An Dein Berz sich zu gewöhnen,
Macht der Seel ein ewig Sehnen,
Aus den Augen presst es Tränen,
Aus dem Herzen: Kyrie!

Wo ich lebe auf der Erde,
Such‘ ich Dich, o Hirt der Herde:
Fröhlich, wenn ich finden werde,
Selig, wenn ich Dich erhalt‘.

Dann will ich Dich recht genießen,
Und Dein Arm wird mich umschließen:
Innig will ich Dich dann küssen!
Aber, ach! wie lange währt’s?

Jetzt erst seh‘ ich, was ich sollte,
Jetzt empfang‘ ich, was ich wollte,
Da mir Trän‘ um Träne rollte,
Und mein Herz erzitterte!

Kann man Jesum also fühlen,
Wird die Liebe nicht erfühlen,
Oder je zum Ende zielen,
Sondern wächst und flammet auf.

O du seligstes Erglühen,
O du feuriges Bemühen,
Gottes Sohn in’s Herz zu ziehen!
Süßes Seelen-Abendmahl!

König! würdig aller Kränze,
Quell der Klarheit ohne Grenze,
Komm der Seele näher, glänze!
Komm, Du längst Erwarteter!

Durch Dich wird das Herz erquicket,
Und zur Liebe hingezücket,
Und die Welt dem Fluch entrücket.
Du bist meiner Seele Ruhm!

Jesu, Glorie der Zeiten!
Gehst Du? ich will Dich begleiten!
Bleibt mein Herz nur Dir zur Seiten,
O so raubt Dich Niemand mir!

Du, den ich in’s Herz mir hefte,
Der nach Seinem Siegsgeschäfte
Sitzt zur rechten Hand der Kräfte:
Komm, geneuß des Freudenreichs!

Himmelsbürger, kommt gezogen!
Öffnet eurer Tore Bogen,
Ruft, von Freuden überwogen:
„Holder König, sei gegrüßt!“

„Brunnen der Barmherzigkeiten,
Licht der unumschränkten Weiten,
Treibe weg die Dunkelheiten,
Gib uns Deiner Klarheit Blick! “

„Dich erhöh’n des Himmels Heere,
Dich besingen unsre Chöre:
Du bist unsre Macht und Ehre,
Du hast uns mit Gott versöhnt!“

Jesus herrscht in großem Frieden;
Er bewahrt Sein Volk hienieden,
Dass, bis es Ihm nachgeschieden,
Es hier selig warten kann.

Jesus ist zum Vater gangen,
Hat den vorigen Glanz empfangen;
Über meines Geist’s Verlangen
Ist Ihm dorthin nachgeeilt.

Jesus, den wir jetzt mit Loben
Und mit Psalmen hoch erhoben,
Jesus hält aus Gnaden droben
Uns die Stätte schon bereit.

(1730; nach dem Jubilus Bernhardi.)

Gottfried Arnold – Macht der Gottesliebe.

Ich kann von Dir nicht schweigend sein,
O Liebe, die Du mich hinein
In Gott gezogen hast,
Auch immer stärker in mich bringst,
Bis Du in Dir mich völlig bringst,
Zur ew’gen Sabbatsrast!

Die Liebe, die vom Schöpfer fließt,
Und wieder ihre Wellen gießt
Zu ihrem Quell hinein,
Ist ihrem Ursprung ähnlich ganz,
Und zeigt der Kräfte hohen Glanz,
Die göttlichstark und rein.

Wo Liebe baut des Herzens Haus,
Da treibt sie falsche Neigung aus,
Die sonst unbändig ist.
Die Weisheit in der Liebe Reich
Hat männlich und doch sanft zugleich,
Ein Ernst, mit Lust versüßt.

Natur, und wär‘ sie noch so mild,
Bis obenan mit Lieb erfüllt,
Mag hier nicht gültig sein,
Noch wen’ger selbstgemachte Lieb‘,
Wo sich bei falschem Wort und Trieb
Verstellung menget ein.

Was kein Gesetz, kein Regiment
Der eignen Kräfte bringt zum End‘,
Der Seel zu schaffen Ruh‘:
Das wirket Gott durch seinen Sohn,
Wenn diesem Er den Liebesthron
Im Herzen rüstet zu.

Sein Thron ist Liebe, sanft und hehr;
Was Gott hier nicht selbst tät und wär‘,
Das müsst‘ verbannet sein.
Die Stoppeln werden ganz verzehrt,
Das laut‘re Gold allein bleibt wert,
Das Herz wird völlig rein.

Die Seele sucht in Gott nun sich,
Und in sich Gott ganz wunderlich,
Weil beide Eines sind.
Wer trennt, was Gott vereinigt hat?
Wer scheidet, wenn Er in der Tat
Sich selbst mit uns verbind’t?

Wie hungert, Liebe, mich nach Dir!
Wie schäm‘ ich mich, dass ich in mir
Dir noch so ferne bin!
Ach, lass mich diesem Himmelreich
Gewalt antun, und ziehe gleich
Mich ewig in Dich hin!