Zinzendorf, Nikolaus von – Heiligung Leibes und der Seele.

König, dem wir Alle dienen,
(Ob im Geist? das weißest Du)
Rette uns durch Dein Versühnen
Aus der ungewissen Ruh!

Mache den Gedanken bange,
Ob das Herz es redlich mein‘,
Ob die Seele an Dir hange,
Ob wir scheinen oder sein.

Mehrere verborgne Tiefen
Hat die zarte Eigenheit,
Als da wir noch ruhig schliefen
In der groben Weltlichkeit.

Schöpfer himmlischer Naturen,
Bürge unsrer Heiligkeit,
Hüter neuer Kreaturen,
Der sie im Verborgnen weiht;

Vater, Deine rege Gnade
Mach‘ uns Allen, die wir Dein,
Auf des Glaubens Streiterpfade
Manche segensvolle Pein!

Bräutigam, das Werk ist Deine;
Herzen sind Dein Eigentum,
Ihr Beflecktsein, oder reine,
Bringt Dir Schande oder Ruhm.

Hirte! brauche Deine Stäbe,
Deine Stäbe „Sanft“ und „Weh“, 1Zach.11, 7.
Dass sich unser Geist erhebe
Aus der Trägheit in die Höh‘!

Leit‘ uns Alle, die wir lieben,
In den Pfad der Wahrheit ein:
Uns um Dich nur zu betrüben,
Uns in Dir nur zu erfreu’n!

Herzenskündiger! Dein Auge
Siehet unsre Pilgerzeit,
Dass dabei Nichts gelt und tauge,
Als die Blutgerechtigkeit.

Einfalt ist ein Kind der Gnade,
Eine kluge Ritterschaft,
Die auf ihrem schmalen Pfade
Nicht nach Dem und Jenem gafft.

Leib und Kraft will man bewahren,
Wenn’s nur Christo dienen kann;
Leib und Kräfte lässt man fahren
Für den treuen Seelenmann.

Heil’ge Brüder, Gottes Knechte,
Und der Freundschaft Israels2Rechte Israeliter, in denen kein Falsch ist; Joh. 1,47.,
Reine Geister, singt vom Rechte,
Von dem Recht Immanuels!

Und ihr, teure Mitgenossen,
Betet an das Heil der Welt!
Und Sein Blut, am Holz geflossen,
Segne unser Herzensfeld!

HErr, im schönen Kampf der Leiden
Mach‘ uns zum Triumph des Lamms,
Und zur Ursach‘ Seiner Freuden.
Und zum Lohn des Kreuzesstamms!

Jesu Christe, unser Leben!
Mach‘ uns selbst Dir angenehm,
Deinem Herzen ganz ergeben,
Und zu Deinem Dienst bequem.

Leit‘ uns würdiglich der Gnade
Und dem Evangelio;
Mach‘ uns treu von Grad‘ zu Grade,
Und zur letzten Stunde froh!

(26. Febr. 1732.)

Johann Christian Zimmermann – Heilig ist dein ganzes Wesen,

Heilig ist dein ganzes Wesen,
Und kein Böses ist an Dir!
Ewig bist Du so gewesen,
Und so bleibst Du für und für.
Was Dein Wille wählt und thut,
Ist untadelhaft und gut,
Und mit deines Armes Stärke
Wirkst Du stets vollkommne Werte.

2. Herr! Du willst, daß deine Kinder
Deinem Bilde ähnlich sei’n.
Nie besteht vor Dir der Sünder,
Denn Du bist vollkommen rein;
Du bist nur der Frommen Freund,
Allen Bösen bist Du feind,
Wer beharrt in seinen Sünden,
Kann vor Dir nicht Gnade finden.

3. Uns von Sünden zu erlösen,
Gabst Du deinen Sohn dahin;
O, so reinige vom Bösen
Durch Ihn unsern ganzen Sinn!
Gib uns, wie dein Wort verheißt,
Gib uns deinen guten Geist!
Daß Er unsern Geist regiere
Und in alle Wahrheit führe.

Paul Gerhardt – O Gott, mein Schöpfer, edler Fürst

  1. O Gott, mein Schöpfer, edler Fürst
    und Vater meines Lebens,
    Wo du mein Leben nicht regierst,
    so leb ich hier vergebens.
    Ja lebendig bin ich auch tot,
    der Sünden ganz ergeben,
    Wer sich wälzt im Sündenkot,
    der hat das rechte Leben
    noch niemals recht gesehen.
  2. Darum so wende deine Gnad
    zu deinem armen Kinde
    und gib mir allzeit guten Rat:
    Behüte meines Mundes Tür,
    Daß mir ja nicht entfahre
    ein solches Wort, dadurch ich dir
    und deiner frommen Schare
    verdrießlich sei und schade.
  3. Bewahr, o Vater mein Gehör
    auf dieser schönen Erde
    vor allem, dadurch deine Ehr
    und Reich beschimpfet werde;
    Laß mich der Lästrer Gall und Gift
    ja nimmermehr berühren,
    Denn wen ein solcher Unflat trifft,
    den pflegt er zu verführen,
    auch wohl gar umzukehren.
  4. Regier meiner Augenlicht,
    daß sie nichts Arges treiben,
    ein unverschämtes Angesicht
    laß ferne von mir bleiben:
    Was ehrbar ist, was Zucht erhält,
    Wonach die Englein trachten,
    was dir beliebt und wohlgefällt,
    das laß auch mich hochachten,
    all Üppigkeit verlachen.
  5. Gib, daß ich mich nicht lasse ein
    zum Schlemmen und zum Prassen,
    laß deine Lust mein eigen sein,
    die andere fliehn und hassen.
    Die Lust, die unser Fleisch ergetzt,
    Die zeucht uns nach der Höllen,
    und was die Welt für Freude schätzt,
    pflegt Seel und Geist zu fällen
    und ewiglich zu quälen.
  6. O selig ist, der stets sich nährt
    mit Himmels Speis und Tränken,
    Der nichts mehr schmeckt, nichts sieht und hört,
    auch nichts begehrt zu denken,
    Als nur was zu dem Leben bringt,
    da man bei Gotte lebet
    Und bei der Schar, die fröhlich singt
    und in der Wollust schwebet,
    die keine Zeit aufhebet.

Gerhardt, Paul – Gegrüßet seist du, Gott, mein Heil

  1. Gegrüßet seist du, Gott, mein Heil,
    Mein ein’ge Lieb und schönstes Teil;
    Gegrüßet seist du, werte Brust,
    Du Gottessohn, du Menschenlust,
    Du Träger aller Bürd und Last,
    Du aller Müden Ruh und Rast.
  2. Mein Jesu, neige dich zu mir
    Mit deiner Brust, damit von dir
    Mein Herz in deiner Lieb entbrenn
    Und von der ganzen Welt sich trenn.
    Halt Herz und Brust in Andacht reich
    Und mich ganz deinen Willen gleich.
  3. Mach, Herr, durch deines Herzens Quell
    Mein Herz vom Unflat rein und hell;
    Der du bist Gottes Glanz und Bild
    Und aller Armen Trost und Schild,
    Teil aus dem Schatze deiner Gnad
    Auch mir mit Gnade, Rat und Tat.
  4. O süße Brust, tu mir die Gunst
    Und fülle mich mit deiner Brunst!
    Du bist der Weisheit tiefer Grund,
    Dich lobt und singt der Engel Mund,
    Aus dir entspringt die edle Frucht,
    Die dein Johannes bei dir sucht.
  5. In dir wohnt alle Gottesfüll,
    Hast alles, was ich wünsch und will,
    Du bist das rechte Gotteshaus,
    Drum, wann zur Welt ich muß hinaus,
    So schleuß mich treulich in dir ein
    Und laß mich ewig bei dir sein.

Heermann, Johannes – Um Beßerung des Lebens.

Aus den Worten Augustini.

Im Ton: Was mein Gott will, das gescheh rc.

HIlf mir, mein Gott, hilf, daß nach dir
von Herzen mich verlange,
Und ich dich suche mit Begier,
wann mir wird angst und bange!
Verleih, daß ich
mit Freuden dich
in meiner Angst bald finde,
Gib mir den Sinn
daß ich forthin
meid alle Schand und Sünde.

2. Hilf, daß ich stets mit Reu und Schmerz
mich deiner Gnad ergebe,
Hab täglich ein zerknirschte Herz,
in wahrer Buße lebe,
Vor dir erschein,
herzlich bewein
all meine Missethaten,
Die Hände fein
laß‘ milde sein,
dem Dürftigen zu rathen.

Die Lust des Fleisches dämpf in mir,
daß sie nicht überwinde;
Rechtschaffne Lieb und Lust zu dir
in meinem Herz’n anzünde;
Daß ich in Noth
bis in den Tod
dich und dein Wort bekenne,
Und mich kein Trutz
noch eigen Nutz
von deiner Wahrheit trenne.

Behüte mich vor Grimm und Zorn,
mein Herz mit Sanftmuth ziere.
Reiß aus den schnöden Hoffartsdorn,
zur Demuth mich anführe.
Was ich noch find
von alter Sünd,
durch deinen Geist ausfege.
Gib, daß allzeit
Trost, Fried und Freud
sich in mir Armen rege.

Den Glauben stärk, die Lieb erhalt,
die Hoffnung mache feste,
Daß ich von dir nicht wanke bald,
Beständigkeit ists beste.
Den Mund bewar,
daß nicht Gefahr
durch ihn mir werd erwecket.
Speis ab den Leib,
doch daß er bleib
von Geilheit unbeflecket.

Gib, daß ich treu und fleißig sei
in dem, was mir gebühret.
Laß durch Ehrgeiz und Heuchelei
mich werden nicht verführet.
Leichtfertigkeit,
Haß, Zank und Neid
laß in mir nicht verbleiben.
Verstockten Sinn
und Diebsgewinn
wollst du von mir abtreiben.

Hilf, daß ich folge treuem Rath,
von falscher Meinung trete:
Den Armen helfe mit der That,
für Freund und Feind stets bete;
Dien jedermann
so viel ich kann,
das Böse haß und meide,
Nach deinem Wort,
an allem Ort,
bis ich von dannen scheid.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder

Johannes Heermann – Wie ein jeder Mensch seiner Seelen treulich warnehmen soll.

Aus D. Bernhardo.

Im Ton: Ach Gott vom Himmel sieh darein.

WAs willst du armer Erden-Kloß
so sehr mit Hoffart prangen?
Dein Elend ist zu viel und groß:
du bist in Sünd empfangen,
Mit Schmerz geboren auf die Welt,
Schmerz dein ganz Leben überfällt,
mit Schmerz mußt du von dannen.

Was zierest du den Leib, das Haus,
drin alles Siechtum stecket?
Und queichelst ihn so zärtlich aus
mit dem, was ihm wol schmecket?
Weißt du denn nicht, nach wenig Tag
daß er muß sterben mit Wehklag
und ihn die Würmer freßen?

Vielmehr die edle Seele zier
mit Buß und guten Werken,
Das Himmelbrot ihr setze für,
dadurch sie sich kann stärken.
Denn sie ists, die da frei vom Tod
im Himmel schweben soll vor Gott
und allen heilgen Engeln.

Warum pflegst du des Fleisches wol
und läßt die Seel verschmachten?
Ists recht, daß man die Magd jetzt soll
mehr denn die Frau selbst achten?
Der Geist führt sonst das Regiment:
bei dir ist solches umgewendt,
das Fleisch den Geist regieret.

Gott selbst, der größte HERR und Held,
des Menschen Seel hoch schätzet
Und sie weit über alle Welt
und alle Himmel setzet:
Denn für wen hat Er seinen Sohn,
sein höchste Zierde, Freud und Kron,
ins Kreuzes Pein gegeben?

Traun! nicht dem Himmel, nicht der Erd
ist diß zu gut ergangen:
Des Menschen Seel, so teur und werth,
hat diese Gnad empfangen;
Die ist ein solch teur Pfand und Gut,
das ohne seines Sohnes Blut
nicht könnt erlöset werden.

Ist deine Seel so hoch vor Gott,
wie kannst du sie denn haßen
Und wagen hin, als wär es Koth,
den man findt auf der Gaßen?
Gedenk, daß Gottes liebster Sohn,
gestiegen von des Himmels Thron,
sie hat vom Tod errettet.

Denn als Er sie in schwerer Schuld
vom Teufel fand gebunden,
Und sie verdammet werden sollt
zur Höllen alle Stunden:
Vor Jammer ihm zerbrach sein Herz,
er weinte über ihren Schmerz,
davon sie selbst nichts wußte.

Ja, das noch mehr, so ließ er sich
um ihretwillen tödten,
Errettet‘ sie ganz kräftiglich
aus allen ihren Nöthen:
Sein Blutschweiß war das Lösegeld,
das Er, der Heiland aller Welt,
für sie baar ausgezahlet.

An dieses Opfer denke stets,
das für dich ist gegeben.
Nicht mehr so schlecht die Seele schätz,
thu Gott nicht widerstreben:
Schau doch, wie sehr war sie verwundt,
daß sie sonst nichtes heilen konnt,
denn Christi Blut und Striemen.

Wenn sie der Satan nicht zu Grund
der alles Unglück stiftet,
Durch List mit seinem Lügenmund
bis in den Tod vergiftet,
So hätte Gottes Sohn den Tod
und so viel Marter, Hohn und Spott
am Kreuz nicht leiden dürfen.

Darum, o Mensch, verachte nicht
das groß und schwere Leiden,
Das er für dich hat selbst verricht:
thu alle Bosheit meiden.
Schau doch, wie sich so treulich hat
des Sohnes Gottes Majestat
in Noth dein angenommen.

Hilf Gott, daß ich mein Lebenlang
diß alles recht bedenke,
Für deine Treu dir Lob und Dank
in tiefster Demuth schenke,
Daß ich von Sünden trete ab,
mein Herz bei dir im Himmel hab,
nach meinem Heil stets trachte.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder

Tersteegen, Gerhard – Mein Erlöser, schaue doch

1.) Mein Erlöser, schaue doch,
Wie mein armer Geist verstricket,
Mit geheimen Banden noch
Ganz bedränget und bedrücket.
Will ich los, so sinkt mein Herz
Bald in Ohnmacht niederwärts.

2.) Zwar es hat mich deine Gnad
Groben Sünden längst entrissen.
Ich hab auch nach deinem Rat,
Schon zu wandeln mich beflissen,
Dass vielleicht ein andrer wohl,
Mich für fromm schon halten soll.

3.) Aber dein genaues Licht
Zeigt mir tiefer mein Verderben
Und wie ich nach meiner Pflicht
Muss mir selbst und allem sterben
Und in wahrer Heiligkeit
Vor dir leben allezeit.

4.) Dies ist auch mein Wille wohl,
Aber, ach, es fehlt Vollbringen!
Was ich auch verrichten soll,
Tu ich noch mit Last und Zwingen.
Seh ich dann mein Bestes an,
So ist’s doch nicht Recht getan.

5.) Ach, wo ist der neue Geist,
Den du wollst den Deinen geben,
Der den Sünden uns entreißt
Und uns bringt dein reines Leben,
Der mit Herzenslust und Kraft
Alles in und durch uns schafft.

6.) Ach, wann wird mein Herze frei
Über alles sich erheben
Und in reiner Liebestreu
Nur von dir abhängig leben,
Abgeschieden, willenlos,
Von mir selbst und allem bloß!

7.) Komm, du lang verlangte Stund,
Komm, du Lebensgeist von oben!
Ach, wie soll mein froher Mund,
Jesu, deine Treue loben,
Wenn mich deine Liebesmacht,
Dir zu dienen frei gemacht.

8.) Lass dein Evangelium,
Mir Gefangnem Freiheit schenken.
Ich will als dein Eigentum
Mich in dein Erbarmen senken.
Ich will hoffen, warten, ruhn,
Du wollst alles in mir tun.

9.) Eignes Wirken reicht nicht zu,
Du musst selbst die Hand anlegen.
Ich will still sein, wirke du,
Dämpfe, was sich sonst will regen.
Kehr zu meiner Seele ein,
So wird mir geholfen sein.

Tersteegen, Gerhard – Liebster Heiland, nahe dich

1.) Liebster Heiland, nahe dich,
Meinen Grund berühre.
Und aus allem kräftiglich
Mich in dich einführe.
Dass in dich
Inniglich
Mög‘ in Liebe fassen,
Alles andre lassen!

2.) Sammle den zerstreuten Sinn,
Treuer Hirt der Seelen!
Denn wenn ich in dir nicht bin,
Muss mein Geist sich quälen.
Kreatur
Ängstet nur,
Du allein kannst geben
Ruhe, Freud’ und Leben.

3.) Mache mich von allem frei,
Gründlich abgeschieden,
Dass ich eingekehret sei
Stets in deinem Frieden,
Kindlich, rein,
Sanft und klein,
Dich in Unschuld sehe,
In dir leb’ und stehe!

4.) Menschenfreund, Immanuel,
Dich mit mir vermähle.
O du sanfter Liebesquell,
Salbe Geist und Seele,
Dass mein Will’
Sanft und still
Ohne Widerstreben
Dir sich mag ergeben!

5.) Jedermann hat seine Lust
Und sein Zeitvertreiben.
Mir sei Eines nur bewusst,
Herr, in dir zu bleiben!
Alles soll
Folgen wohl,
Wenn ich mich nur übe,
In dem Weg der Liebe.

6.) Kreaturen, bleibet fern,
Und was sonst kann stören!
Jesu, ich will schweigen gern
Und dich in dir hören.
Schaffe du
Wahre Ruh,
Wirke nach Gefallen,
Ich halt’ still in allen!

7.) Was noch flüchtig, sammle du,
Was noch stolz ist, beuge,
Was verwirret, bring zur Ruh,
Was noch hart, erweiche,
Dass in mir
Nichts hinfür
Lebe noch erscheine
Als mein Freund alleine!

Tersteegen, Gerhard – Ich finde stetig diese zwei

1.) Ich finde stetig diese zwei
In meinem Wandel und Gemüte:
Dass ich ein armer Sünder sei
Und Gott die wesentliche Güte.
Ich leb vor Gott zufrieden so
Und bin bei meinem Elend froh.

2.) Ich bin entblößt von allem Gut,
Von allem Licht und Kraft und Leben.
Gott alles ist und hat und tut,
Er kann und will mir alles geben.
Wenn ich mein tiefes Nichts bedenk,
Ich mich in Gott noch tiefer senk.

3.) Pfui, pfui, mit aller Frömmigkeit,
Wo man sich selbst besieht und liebet!
Dies ist der Tugend Lauterkeit,
Wenn man nur Gott die Ehre giebet.
Das Nichts ist manchem wohl im Mund,
Doch sitzt es wenigen im Grund.

4.) Man nennt sich öfters arm und schwach,
Wer glaubt es aber recht von Herzen?
Und wer es glaubt, dem bringt es Plag,
Man glaubt’s mit Unruh und mit Schmerzen.
Im Nichts bringt Armut keine Pein,
Im Nichts ist man mit Frieden klein.

5.) Dies Nichts soll meine Wohnung sein.
Herr, lass mich nimmer etwas werden,
Sei du mein Ruhm und Freud allein,
Mein Alles droben und auf Erden,
Lass mich verschwinden ganz und gar,
Sei du in mir nur offenbar!

6.) Ich will wohl gerne schöne sein,
Doch nur, damit ich dir gefalle.
Ich such vor Menschen keinen Schein,
Willst du, lass mein vergessen alle!
Ich sei veracht’t und du geehrt,
So hab ich, was ich hab begehrt.

7.) Führ mich zur höchsten Heiligkeit,
Doch lass’s die Eigenheit nicht wissen.
Gib mir des Himmels Herrlichkeit!
Ich leg die Kron zu deinen Füßen,
Mit Freuden seh ich nichts in mir,
Mit Freuden geb ich alles dir.

Tersteegen, Gerhard – Herr Jesu Christe, mein Prophet

1.) Herr Jesu Christe, mein Prophet,
Der aus des Vaters Schoße geht,
Mach mich den Vater offenbar
Und seinen liebsten Willen klar.

2.) Lehr mich in allem, weil ich blind,
Mach mich dir ein gehorsam‘ Kind,
Andächtig und stets eingekehrt,
So werd ich wahrlich gottgelehrt.

3.) Gib, dass ich auch vor jedermann
Von deiner Wahrheit zeugen kann
Und allen zeig mit Wort und Tat
Den schmalen, sel’gen Himmelspfad.

4.) Mein Hoherpriester, der für mich
Am Kreuzesstamm geopfert sich,
Mach mein Gewissen still und frei,
Mein ewiger Erlöser sei.

5.) Gesalbter Heiland! Segne mich
Mit Geist und Gnaden kräftiglich.
Schließ mich in deine Fürbitt‘ ein,
Bis ich werd‘ ganz vollendet sein.

6.) Ich opfre auch, als Priester, dir
Mich selbst und alles für und für.
Schenk mir viel Andacht zum Gebet,
Das stets im Geist zu dir aufgeht.

7.) Mein Himmelskönig, mich regier!
Mein alles unterwerf ich dir.
Rett‘ mich von Sünde, Welt und Feind,
Die mir sonst gar zu mächtig seind.

8.) So kehr du in mein Herz hinein
Und lass es dir zum Throne sein.
Vor allem Übel und Gefahr
Mich als dein Eigentum bewahr‘.

9.) Hilf mir im königlichen Geist,
Mich selbst beherrschen allermeist,
Begierden, Willen, Lust und Sünd‘
Und dass mich nichts Geschaff’nes bind.

10.) Du hoch erhab’ne Majestät,
Mein König, Priester und Prophet.
Sei du mein Ruhm, mein Schatz und Freud‘,
Von nun an bis in Ewigkeit.