Juda, Leo – Klage Jesu zu dem Menschen, der aus eigenem Muthwillen verdammt wird

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Sagt an, ihr Menschen allgemein,
Die ihr doch habt von mir allein,
Daß reichlich ausfließt alles Gut,
So Himmel und Erd einschließen thut:
Was blendt euch? was bethört euch so,
Daß ihr das suchet anderswo,
Und nit in mir, der ich der Bronn
Und Ursprung bin, der euch auch gönn‘,
Ja gegentrag‘ euch Solches frei,
Damit euch kein Entschulden sei:
Was habt ihr Arbeit, groß‘ Unruh‘,
Kein Fried‘ kein stete Freud‘ dazu?
Was ficht euch an? was Muthwills Lust?
Was B’gierd‘ habt ihr? hang an umsust
Dem Schatten und dem falschen Wahn,
Da euch kein Nutz mag draus entstahn,
So ich allein die Seligkeit,
Und wahres Heil euch hab‘ bereit?
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Ein freudenreicher Freund bin ich,
Und dazu stet, theil selber mich
Und, was ich hab‘, mit meinem Fründ.
Wie? daß man doch so Wenig‘ findt,
Die solcher Freundschaft stellen nach
So ich aus Gunst, vergebens doch
Mein’s Reichthums Schatz geb‘ jedermann
Und niemand unbegabet lan?
Ich bin die Straß‘ und Weg allein,
Der alle Menschen gleich gemein
zum Himmel Führ‘; warum geh’n dann
So wenig Leut‘ auf dieser Bahn?
Die ewig‘ Wahrheit ich selbst bin,
Die allen Falsch und Trug treibt hin;
Wie ist das Volk denn so verblendt,
Daß mich so gar jetzt niemand kennt;
Wie sind die Menschen so bethort,
Daß sie nit glauben Gottes Wort?
Mein‘ Zusag‘ ich gar treulich halt‘,
Und hab‘ deß Macht und volle G’walt;
Wie sind denn das so thöricht‘ Leut‘,
Die mir mißtrauen allezeit?
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G’neigt bin ich mit Erbärmd’gen dir,
Wie? daß du doch nit fliehst zu mir,
Als zu einer sichern freien Statt,
Da Sünd‘ und Schuld Verzeihung hat?
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Darum, o Mensch, verläßt du mich,
Und führt in Tod dein‘ Blindheit dich,
Gib mir nit Schuld, klag mich nit an!
Du hast’S dir selbst muthwillig g’than;
Durch mich ist gar ganz nichts versumt.
Wirst du verdammt, dasselb‘ das kumt
Von deiner Bosheit, Muthwill groß;
Die Schuld auf keinen Andern stoß.
Denn was ist noch vorhand, das ich
Nit hab‘ gethan? Bericht deß mich!
So nun dein Herz ist härter viel
Als Marmorstein, und dich nit will
Bewegen solch inbrünst’ge Lieb‘
Die ich so überfließend üb‘
Allzeit gen dir, und dir mein‘ Güt‘
Nit weichen mag dein hartes g’müth;
So dich nit reizt gewisser Lohn,
Den ich dir dort bereitet schon;
So dich kein‘ Furcht der Hölle schreckt,
So dich kein‘ Scham, kein‘ Ehr‘ erweckt,
Ja, so dies All’s dich härter nur
Und noch verstockter macht, wodur
Ein Stahel und ein harter Stein
In Stücke würd‘ zerspalten klein;
Was soll ich väterlicher Gunst
Gen dir erzeigen fürder meh,
So du dich in das ew’ge Weh
Ganz willig und mit Muthwill gibst,
In dem du immer und ewig blibst?
Denn daß ich dich zur Seligkeit,
Die ich euch Allen hab‘ bereit’t,
Woll‘ zwingen wider deinen Will,
Ist meiner G’rechtigkeit zu viel,
So leidet’s Billigkeit gar nicht,
Auch all‘ Vernunft dawider ficht.

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