Philipp Spitta – Herr, des Tages Mühen und Beschwerden

Herr, des Tages Mühen und Beschwerden
machtest du durch deine Nähe leicht.
Bleib bei mir, da es will Abend werden;
bleib bei mir, da sich der Tag geneigt!
Wie am Tag du stärkend bei mir weiltest,
o so tritt am Abend auch herzu;
wie du meine Müh’ und Arbeit teiltest,
o so teile segnend meine Ruh’!

Sieh, es dräut mir jetzt kein läst’ger Störer,
in dem Stübchen bin ich ganz allein,
kann jetzt ungestört dein stiller
Hörer und dein aufmerksamer Schüler sein.
Sprich du selbst mir einen Abendsegen;
denn dein Segenswort hat Segenskraft,
ist ein milder, kühler Abendregen
für das Herz, von Tagesmüh’ erschlafft.

Ach, wie ohne dich, o Herr, der Abend
mich so kalt und unbefriedigt läßt!
Doch durch dich ist er so süß, so labend,
ist ein Feierabend, ist ein Fest;
voll von segensreicher Herzenslabe
wird mir dann erst abendlich zumut;
wenn ich dich am Tagesende habe,
dann ist mit dem Ende alles gut.

Komm denn nach des Tages lautem Leben,
komm, du reicher Gast, kehr bei mir ein,
Heil zu spenden, Schulden zu vergeben,
Ruhe, Fried’ und Freude zu verleihn!
Des vergangnen Tages Wunden, Schmerzen heile,
lindre und verbanne du,
und laß mich zuletzt an deinem Herzen finden
eine sanfte, nacht’ge Ruh’!

Philipp Spitta – Du reicher Gott und Herr

Du reicher Gott und Herr, von dem ich alles habe,
du ew’ger Lebensquell, draus ich mich täglich labe,
ich brächte gern einmal auch eine Gabe dir;
nur weiß ich selbst nicht, was. Drum bitt’ ich: sag es mir!

„Gib mir, o Sohn, dein Herz!“ So sprichst du; ach, das meine,
mein Herz, das willst du, Herr? Mein Herz, das ich beweine,
mein armes, schwaches Herz, von Sünd’ und Lust der Welt,
von Zagheit und von Trotz so unrein, so entstellt?

Das forderst du von mir vor allen andern Gaben?
Hier ist es, wie es ist, mein Herz, du sollst es haben.
O mache du es rein, o mache du es neu,
o mach es dir zur Ehr’ bis in den Tod getreu!

Philipp Spitta – Des Christen Kreuz

Des Christen Schmuck und Ordensband,
Das ist das Kreuz des Herrn;
Und wer erst seinen Werth erkannt,
Der trägt es froh und gern.

Man nimmt’s mit Demuth, trägt’s mit Lust,
Und achtet’s für Gewinn,
Doch trägt man es nicht auf der Brust,
O nein, man trägt es drin.

Und wenn’s auch schmerzt und wenn’s auch drückt,
Bleibt man doch glaubensvoll,
Man weiß ja wohl, wer’s uns geschickt,
Und was es wirken soll.

Man trägt es auch nur kurze Zeit,
Nur als ein Unterpfand
Für das zukünft’ge Ehrenkleid
Im Lieben Vaterland.

Spitta, Philipp – Vollendet hat der Tag die Bahn

1. Vollendet hat der Tag die Bahn,
sein Licht der Abend ausgetan
und überall die dunkle Nacht
die Zeit der Ruhe hergebracht.
O reicher Gott, nun segne du
uns diese Nacht zu guter Ruh.

2. Was du uns Gutes hast beschert,
wie du uns heut versorgt, ernährt,
in aller Fährlichkeit beschützt,
uns zugewendet was uns nützt:
wir danken dafür inniglich,
und Herz und Lippen preisen dich.

3. Was aber Übles wir getan,
das rechne uns aus Gnad nicht an!
Wir klagen dir´s mit Reu und Schmerz
und zeichnen unser Haus und Herz
mit deines lieben Sohnes Blut
zu Glaubenstrost und Glaubensmut.

4. Nun gib uns Ruhe, die erquickt,
nach der das müde Auge blickt.
Des Wächters Hut und Wachsamkeit,
der Tor und Riegel Festigkeit,
das Lager, weich und warm und dicht:
das alles gibt die Ruhe nicht.

5. Hälst du nicht selbst im Herzen auf
der Sorge und Gedanken Lauf,
so fährt er aufgeregt einher
wie ein vom Sturm bewegtes Meer,
und manche Stunde stiller Nacht
wird Ruhe suchend hingebracht.

6. Drum bring du unser Herz in Ruh
und schließ uns bald die Augen zu;
mit deiner Güte decke uns,
zur rechten Zeit erwecke uns.
Dann sei dir unser Dank gebracht
für dein Geschenk, die gute Nacht!

Text: Philipp Spitta (1801–1859)
Melodie: Leipzig 1539  (Vater unser im Himmelreich)
Quelle: GB Württemberg 1912. Nr. 83

Karl Johann Philipp Spitta – Du, dess‘ Zukunft einst erflehten

1.) Du, dess‘ Zukunft einst erflehten
Tausende in Israel:
Du bist unter uns getreten,
Christus und Immanuel!
O, der teuren Gnadenzeit!
Nun ist allen Heil bereit,
Nun soll keiner hilflos klagen,
Keiner hoffnungslos verzagen.

2.) Sel’ge Zeit! O, wie vor Alters
Man nach Dir Verlangen trug, –
Wie die Saiten seines Psalters
David so voll Sehnsucht schlug, –
Wie nach Dir einst ausgeschaut,
Sich gesehnet still und laut
Unter Seufzen und Gebeten
Die Gerechten und Propheten!

3.) Gott sei Dank! Nun ist geschehen,
Nun aus Gnaden uns gewährt,
Was so viele hier zu sehen
Und zu hören einst begehrt.
Gotes Rat ist nun enthüllt
Und zu unserm Heil erfüllt
Jetzt der Väter heiße Bitte:
Christus ist in unsrer Mitte!

4.) Aber der der Welt erschienen,
Wie vom Vater er gesandt,
Wandelt mitten unter ihnen,
Vielen fremd und unbekannt.
Unbeachtet lässt man Ihn
Seinen Weg vorüberziehn.
Ruft er, will man ihn nicht hören,
Lässt in Sünden sich nicht stören.

5.) Und Er klopft an manche Pforte,
Suchet Eingang hier und dort,
Grüßt sie mit holdsel’gem Worte,
Doch man weist Ihn schnöde fort.
Wer nicht fühlt, was ihm gebricht,
Dem gefällt der Helfer nicht.
Wer nicht in sein Herz will gehen,
Lässt den Heiland draußen stehen.

6.) Kennt ihr Ihn, der, uns zu retten,
Von dem Thron des Vaters kam,
Und damit wir Frieden hätten,
Unsre Strafe auf sich nahm?
Lebt ihr als Sein Eigentum
Ihm zur Ehre und zum Ruhm?
Seid ihr auch schon angeschrieben
Unter denen, die Ihn lieben?

7.) Ließt ihr Ihn das Herz gewinnen?
Nahmt ihr euch sein sanftes Joch?
Ist sein Reich bei euch darinnen
Oder widerstrebt ihr noch?
Sagt, wem dient ihr überall:
Christo oder Belial?
O, singt Christo: Hosianna!
Er allein hat Lebensmanna.

8.) Hosianna, sei willkommen,
Christe, kehre bei uns ein!
Du sollst von uns aufgenommen,
Herzlich aufgenommen sein.
Sieh, zum Eingang öffnen wir
Freudig unsre Herzen Dir.
Komm denn, komm darin zu wohnen,
Ja, als König drin zu thronen!

9.) Ach, es hat uns nur zu lange
Schon die Sünde übermocht,
Und mit unbesiegtem Zwange
Leib und Seele unterjocht.
Wie war aller Kampf und Krieg
Gegen sie doch ohne Sieg!
Du nur kannst uns von dem Bösen
Ganz und ewiglich erlösen.

10.) Drum, wie Dir das Reich verheißen,
Nimm das Reich bei uns auch ein.
Denn dem Starken uns entreißen,
Kann der Stärkere allein.
Mach uns selig, Gottes Sohn,
Sammle deiner Liebe Lohn,
Bis Dir untertänig werden
Alle Reiche hier auf Erden!

Spitta, Carl Johann Philipp – Laß mich fest stehn auf dem einen Grunde

Laß mich fest stehn auf dem einen Grunde,
Herr, der mir zu meinem Heil bereit,
Den das heil’ge Wort aus deinem Munde
Offenbart in dieser Gnadenzeit:
Jesus Christus ist ins Fleisch gekommen,
Hat die Sündenschuld auf sich genommen,
Von der Last die Sünder zu befrein;
Hat sein Leben in den Tod gegeben,
Daß die Todeswürd’gen möchten leben
Glaubend hier, dort schauend selig sein.

Wirke selbst in mir den festen Glauben
An dies Heil, das du gegründet, Gott!
Laß ihn nie mir eigne Zweifel rauben,
Nie der Menschen blinden Hohn und Spott,
Laß wie Petrus offen mich gesstehen:
Du bist Christus! Wohin sollt‘ ich gehen,
Lebensworte find‘ ich nur bei dir!
Laß wie Paulus mich nur dahin streben,
Daß du durch den Glauben mögest leben,
Ganz allein im treuen Herzen mir.

Ach, entzünd und laß dann nie erkalten
Jene Liebe, die gekrönt mit Heil,
Doch wie die geringste Magd zu walten
Sich erwählt als ihr bescheidnes Teil;
Die mit sanften und bescheidnen Mienen
Selig ist im Glauben, froh im Dienen,
Still im Leiden, dauernd in Geduld,
Alles trägt und glaubet, hofft und duldet,
Sich zu allem Guten hält verschuldet
Für den Reichtum deiner Gnad‘ und Huld.

Und so laß mich glaubend, liebend geben
Wie ein Kind, geführt von deiner Hand,
Wie ein Held dem Bösen widerstehen,
Selbst erliegend leisten Widerstand;
Und doch nie mich rühmen, nein, nichts weiter,
Als vor dir ein Kind sein, still und heiter;
Ungefangen von der Lust der Welt,
Fest auf deine Treue mich verlassen,
Dich so lang mit Glaubensarmen fassen,
Bis im Tod der Glaubensschleier fällt.

Spitta, Carl Johann Philipp – Wie ist der Abend so traulich

Wie ist der Abend so traulich,
Wie lächelnd der Tag verschied;
Wie singen so herzlich erbaulich
Die Vögel ihr Abendlied!

Die Blumen müssen wohl schweigen,
Kein Ton ist Blumen bescheert,
Doch, stille Beter, neigen
Sie all das Haupt zur Erd‘.

Wohin ich geh und schaue,
Ist Abendandacht. Im Strom
Spiegelt sich auch der blaue,
Prächtige Himmelsdom.

Und alles betet lebendig
Um eine selige Ruh‘,
Und alles mahnt mich inständig:
O Menschenkind, bete auch du!

Spitta, Carl Johann Philipp – Im Osten flammt empor der goldne Morgen

Im Osten flammt empor der goldne Morgen,
Und alles, was die finstre Nacht verborgen,
Wird offenbar, erhellt vom Sonnenlicht;
Und all die Wälder, all die Höhn und Tiefen,
Die eingehüllt im Nebelbette schliefen,
Stehn glänzend vor der Sonne Angesicht.

Leucht in mein Herz und gib mir Licht und Wonne,
Mein Jesu, meines dunklen Herzens Sonne,
Erwecke drin den hellen Tagesschein,
O offenbar mir die vielen Falten
Des Herzens, das nach dir sich muß gestalten
Und in dein heilig Bild verkläret sein.

In deinem Lichte laß mich heute wandeln,
In deiner Liebeswärme laß mich handeln,
Wie eine neu belebte Kreatur,
Die auch durch eine neue Lebensweise
Den Schöpfer ihres neuen Lebens preise,
Und leb zu seinem Lob und Ruhme nur.

Ich bitte nicht: Nimm weg des Tages Plagen!
Nein, um die Liebe bitt ich, sie zu tragen,
Und um den Glauben, daß mir alles frommt,
Daß alles sich zu meinem Heil muß wenden,
Weil alles mir aus deinen lieben Händen
Und deinem segensreichen Herzen kommt.

Ich bitte nicht: Gib mir viel äußre Stille!
Nein, Herr, auch hier geschehe ganz dein Wille;
Doch bitt ich: Gib ein kindlich stilles Herz!
Zieht mich die Erde in ihr irdsches Treiben,
So laß mein Herz doch stets dein eigen bleiben,
Zieh’s von der Erde zu dir himmelwärts.

Ich bitte nicht: O ende du recht frühe
Des Erdenlebens Angst und Not und Mühe!
Nein, sei mein Frieden in derErdennot.
Ich bitte nicht: Laß bald dein Reich mich erben!
Nein, eh ich sterb, laß mich der Sünde sterben,
Und werde du recht meiner Sünde Tod.

Du rechte Morgensonne meines Lebens,
O leuchte mir denn heute nicht vergebens,
Sei du mein Licht, wenn ich im Dunkel steh,
Umleuchte mich mit Glanz und Heil und Wonne,
Daß ich mit Freuden in die Abendsonne
Am Ende meiner Erdenwallfahrt seh.

Spitta, Carl Johann Philipp – Bei dir, Jesu, will ich bleiben

1.Bei dir, Jesu, will ich bleiben,
stets in deinem Dienste stehn;
nichts soll mich von dir vertreiben,
will auf deinen Wegen gehn.
Du bist meines Lebens Leben,
meiner Seele Trieb und Kraft,
wie der Weinstock seinen Reben
zu­strömt Kraft und Lebenssaft.

2.Könnt ich’s irgend besser haben
als bei dir, der allezeit
soviel tausend Gnadengaben
für mich Armen hat bereit?
Könnt ich je getroster werden
als bei dir, Herr Jesu Christ,
dem im Himmel und auf Erden
alle Macht gegeben ist?

3.Wo ist solch ein Herr zu finden,
der, was Jesus tat, mir tut,
mich erkauft von Tod und Sünden
mit dem eignen teuren Blut?
Sollt ich dem nicht angehören,
der sein Leben für mich gab?
Sollt ich ihm nicht Treue schwören,
Treue bis in Tod und Grab?

4.Ja, Herr Jesu, bei dir bleib ich
so in Freude wie in Leid;
bei dir bleib ich, dir verschreib ich
mich für Zeit und Ewigkeit.
Deines Winks bin ich gewärtig,
auch des Rufs aus dieser Welt;
denn der ist zum Sterben fertig,
der sich lebend zu dir hält.

5.Bleib mir nah auf dieser Erden,
bleib auch, wenn mein Tag sich neigt,
wenn es nun will Abend werden
und die Nacht herniedersteigt.
Lege segnend dann die Hände
mir aufs müde, schwache Haupt;
sprich: >Mein Kind, hier geht’s zu Ende;
aber dort lebt, wer hier glaubt.<

6.Bleib mir dann zur Seite stehen,
graut mir vor dem kalten Tod
als dem kühlen, scharfen Wehen
vor dem Himmelsmorgenrot.
Wird mein Auge dunkler, trüber,
dann erleuchte meinen Geist,
dass ich fröhlich zieh hin­über,
wie man nach der Heimat reist.

Spitta, Carl Johann Philipp – Die Fülle Christi

Wer gibt Leben, das genüget?
Wer gibt Freud‘ in Traurigkeit,
und mit allem, was Gott füget,
völlige Zufriedenheit?
Wer gibt kindliches Vertrauen,
legt uns in des Vaters Schoß,
macht uns eitler Sorgen los,
läßt uns Gottes Wunder schauen?
Freu dich, dein Jesus Christ
solcher Gnaden Geber ist.

Wer gibt Sinn der Gotteskinder;
Demut, die ihr Nichts erwägt;
Sanftmut, die den Pfeil des Spottes
ungereizt zur Seite legt;
Liebe, die kein Opfer scheut,
der das Geben Seligkeit,
die zu allem Dienst bereit,
mit dem Fröhlichen sich freuet?
Danke Gott, dein Jesus Christ
solcher Gnaden Geber ist.

O du einer, der du allen
alles gibst und alles bist,
weil nach Gottes Wohlgefallen
alle Fülle in dir ist!
Alle hast du eingeladen,
alle sollen zu dir nahn,
allen hast du aufgetan
solche Fülle deiner Gnaden!
Selig, wer es recht genießt,
was du gibst und was du bist.