Claudius, Matthias – Die zurückgekehrten Vaterlandskämpfer. (1814)

1.
Wohlauf Kameraden, vom Pferd, vom Pferd !
Die Rüstung ausgezogen!
In seinem Hause, an seinem Herd
Bedarf es nicht Pfeil noch Bogen.
Da tritt ein anderes wieder ein:
Nach alter Weise glücklich sein.

Chor.
Da tritt ein anderes wieder ein:
Nach alter Weise glücklich sein.

2.
Aus der Welt die Freiheit verschwunden war,
Man sah nur Herren und Knechte;
Trotz und Gewalt die herrschten gar,
Zertraten Menschen und Rechte.
Der dem Tod ins Angesicht schauen kann,
Der Soldat allein war da der rechte Mann.

Chor.
Der dem Tod ins Angesicht schauen kann,
Der Soldat allein war da der rechte Mann.

3.
Drum warfen die kleineren Sorgen wir weg,
Und wählten uns größere Sorgen,
Und ritten dem Schicksal entgegen keck,
Trifft’s heut‘ nicht, trifft es doch morgen.
Und traf es morgen, oder heut‘;
Sieg oder Tod, wir waren bereit.

Chor.
Und traf es morgen, oder heut‘;
Sieg oder Tod, wir waren bereit.

4.
So lange der Frevel um sich frisst,
Bleibt’s Schwert uns Pflicht und Freude,
Nun der besiegt und vernichtet ist,
Kehrt es zurück in die Scheide.
Ist das Kadaver ins Grab hinab,
Wirft man die Schaufeln auf das Grab.

Chor.
Ist das Kadaver ins Grab hinab,
Wirft man die Schaufeln auf das Grab.

5.
Ruhm ist’s, und ehrenvoll und hoch,
Im Notfall der Waffen zu pflegen;
Doch ehrenvoller ist es noch,
Sie frei wieder abzulegen.
Und wer sich des zu schämen hat,
Der war aus Eitelkeit Soldat.

Chor.
Und wer sich des zu schämen hat,
Der war aus Eitelkeit Soldat.

6.
Krieg ist nur gut im Fall der Not,
Nur gut des Friedens wegen.
Durch Fleiß und Arbeit sich das Brot
Erwerben, das bringt Segen.
Nur häuslich Glück ist wahres Glück;
Drum kehren wir dahin zurück.

Chor.
Nur Häuslich Glück ist wahres Glück;
Drum kehren wir dahin zurück.

7.
Zurück wir alle, Hand in Hand,
Frohherzig und zufrieden;
Ein jeder in seinen Beruf und Stand,
Wie’s ihm sein Schicksal beschieden.
Da ist nichts groß, da ist nichts klein,
Ein jedes greift ins Ganze ein.

Chor.
Da ist nichts groß, da ist nichts klein,
Ein jedes greift ins Ganze ein.

8.
Wir traten heraus mit Luft und Mut,
Um neuer Pflichten willen;
Und treten zurück, mit Gut und Blut
Die alten zu erfüllen.
Und sind dem Vater-Haus und Herd,
Wir hoffen es, nicht minder wert.

Chor.
Und sind dem Vater-Haus und Herd,
wir hoffen es, nicht minder wert.

Hamburg, den 30. Juni 1814.

Claudius, Matthias – Als der Sohn unsers Kronprinzen, gleich nach der Geburt, gestorben war.

Mit den vielen andern, Groß und Kleinen,
Klag‘ ich schmerzlich Deinen Tod;
Will bei Deinem Sarge satt mich weinen
Und die Augen rot.

Nicht: dass Du Dich nicht, nach Herzensg‘nüge,
An die holde Mutter schmiegst,
Und dass Du, statt freundlich in der Wiege,
Tot im Sarge liegst;

Hier ist Vorplatz nur, spät oder frühe
Geh‘n wir alle weiter ein,
Und es lohnt sich wahrlich nicht der Mühe
Lange hier zu sein;

Nicht: dass Du des Vaters Glanz hienieden
Und sein Königreich nicht sahst,
Und dass Du die Krone, Dir beschieden,
Nicht getragen hast;

Ach, die Kronen sind nicht ohne Bürden,
Sind nicht ohn‘ Gefahren, Kind!
Und es gibt für Menschenkinder Würden,
Die noch größer sind;

Sondern: dass wir hier ein Land bewohnen,
Wo der Rost das Eisen frisst,
Wo durchin, um Hütten wie um Thronen,
Alles brechlich ist;

Wo wir hin aufs Ungewisse wandeln,
Und in Nacht und Nebel geh‘n,
Nur nach Wahn und Schein und Täuschung handeln,
Und das Licht nicht sehn;

Wo im Dunkeln wir uns freu’n und weinen,
Und rund um uns, rund umher,
Alles, alles, mag es noch so scheinen,
Eitel ist und leer.

O du Land des Wesens und der Wahrheit,
Unvergänglich für und für!
Mich verlangt nach dir und deiner Klarheit;
Mich verlangt nach dir.

Claudius, Matthias – Klage.

(Aus dem Jahr 1793.)

Sie dünkten sich, die Herren aller Herr’n,
Zertraten alle Ordnung, Sitt‘ und Weise,
Und gingen übermütig neue Gleise
Von aller wahren Weisheit fern,
Und trieben ohne Glück und Stern
Im Dunkeln hin, nach ihres Herzens Gelüste,
Und machten elend nah‘ und fern.
Sie mordeten den König, ihren Herrn,
Sie morden sich einander, morden gern,
Und tanzen um das Blutgerüste.

Der Chor.
Erbarm dich ihrer!

Sie wollten ohne Gott sein, ohn‘ ihn leben
In ihrem tollen Sinn;
Und sind nun auch dahingegeben,
zu leben ohne ihn.
Der Reim des Lichtes und der Liebe,
Den Gott in unsre Brust gelegt,
Der seines Wesens Stempel trägt,
Und sich in allen Menschen regt,
Und der, wenn man ihn hegt und pflegt,
Zu unserm Glücke freier schlägt,
Als ob er aus dem Grabe sich erhübe
Der Keim des Lichtes und der Liebe
Der ist in ihnen stumm und tot;
Sie haben alles Große, alles Gute Spott.
Sie beten Unsinn an, und tun dem Teufel Ehre,
Und stellen Gräuel auf Altäre.

Der Chor.
Erbarm dich ihrer!

Claudius, Matthias – Ein Lied nach dem Frieden in Anno 1789

Die Kaiserin und Friederich
Nach manchem Kampf und Siege,
Entzweiten endlich aber sich
Und rüsteten zum Kriege;

Und zogen mutig aus in Feld,
Und hatten stolze Heere,
Schier zu erfechten eine Welt
Und „Heldenruhm und Ehre“.

Da fühlten beide groß und gut
Die Menschenvater-Würde,
Und wie viel Elend, wie viel Blut
Der Krieg noch kosten würde;

Und dachten, wie doch alles gar
Vergänglich sei hienieden,
Und sahen an ihr graues Haar …
Und machten wieder Frieden.

Das freut mich recht in meinem Sinn!
Ich bin wohl nur fast wenig;
Doch rühm‘ ich d‘rob die Kaiserin,
Und rühm‘ den alten König!

Denn das ist recht und wohlgetan,
Ist gut und fürstlich bieder!
Und jeder arme Untertan
Schöpft neuen Odem wieder.

Ah, „Heldenruhm und Ehr'“ ist Wahn!
Schrei‘ sich der Schmeichler heiser;
Die Güte ziemt den großen Mann,
Nicht eitle Lorbeerreiser.

Gut sein, gut sein, großmütig sein,
Vollherzig zum Erbarmen,
Ein Vater aller, groß und klein,
Der Reichen und der Armen!

Das machet selig, machet reich,
Wie die Apostel schreiben,
Ihr guten Fürsten, und wird Euch
Nicht unbelohnet bleiben.

Gott wird Euch Ruhm und Ehr‘ und Macht
Die Hüll‘ und Fülle geben,
Ein fröhlich Herz bei Tag und Nacht,
und Fried‘ und langes Leben.

Und kommt die Stunde denn, davon
Wir frei nicht kommen mögen,
Euch schlecht und recht, ohn‘ eine Kron‘,
Hin in den Sarg zu legen;

So wird der Tod Euch freundlich sein,
Euch sanft und bald hinrücken,
Und es wird Euer Leichenstein
Im Grabe Euch nicht drücken.

Und wie die Kinder wollen wir,
Die Großen mit den Kleinen,
Um Euch an Eures Grabes Tür
Von ganzem Herzen weinen.

Nun! segne Gott, von oben an,
Die Teil am Frieden nahmen!
Gott segne jeden Ehrenmann,
Und straf‘ die Schmeichler! Amen!

Claudius, Matthias – Rheinweinlied.

Bekränzt mit Laub den lieben vollen Becher,
Und trinkt ihn fröhlich leer.
In ganz Europa, Ihr Herren Becher!
Ist solch ein Wein nicht mehr.

Er kommt nicht her aus Hungarn noch aus Polen,
Noch wo man Franzmänn’sch spricht;
Da mag Sanct Veit, der Ritter, Wein sich holen,
Wir holen ihn da nicht.

Ihn bringt das Vaterland aus seiner Fülle;
Wie wär‘ er sonst so gut!
Wie wär‘ er sonst so edel, wäre stille
Und doch voll Kraft und Mut!

Er wächst nicht überall im deutschen Reiche;
Und viele Berge, hört,
Sind, wie die weiland Creter, faule Bäuche,
Und nicht der Stelle wert.

Thüringens Berge zum Exempel bringen
Gewächs sieht aus wie Wein;
Ist’s aber nicht. Man kann dabei nicht singen,
Dabei nicht fröhlich sein.

Im Erzgebirge dürft Ihr auch nicht suchen,
Wenn Ihr Wein finden wollt.
Das bringt nur Silbererz und Koboltkuchen,
Und etwas Lausegold.

Der Blocksberg ist der lange Herr Philister,
Er macht nur Wind wie der;
Drum tanzen auch der Kuckuck und sein Küster
Auf ihm die Kreuz und Quer.

Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben;
Gesegnet sei der Rhein!
Da wachsen sie am Ufer hin, und geben
Uns diesen Labewein.

So trinkt ihn denn, und lasst uns alle Wege
Uns freu’n und fröhlich sein!
Und wüssten wir, wo jemand traurig läge,
Wir gäben ihm den Wein.

Claudius, Matthias – Anselmuccio.

Ist gar ein holder Knabe, er!
Als ob er ’s Bild der Liebe wär‘.
Sieht freundlich aus, und weiß und rot,
Hat große Lust an Butterbrot,
Hat blaue Augen, gelbes Haar,
Und Schelm im Nacken immerdar,
Hat Arm‘ und Beine, rund und voll!
Und alles, wie man’s haben soll.
Nur eines fehlt dir, lieber Knabe!
Eins nur: Dass ich dich noch nicht habe.

Claudius, Matthias – Der Frühling. Am ersten Mai-Morgen

Heute will ich fröhlich fröhlich sein,
Keine Weis‘ und keine Sitte hören;
Will mich wälzen, und für Freude schrei’n,
Und der König soll mir das nicht wehren;

Denn er kommt mit seiner Freuden Schar
Heute aus der Morgenröte Hallen,
Einen Blumenkranz um Brust und Haar
Und auf seiner Schulter Nachtigallen;

Und sein Antlitz ist ihm rot und weiß,
Und er träuft von Tau und Duft und Segen
Ha! mein Thyrsus sei ein Knospenreis,
Und so tauml_ ich meinem Freund entgegen.

Claudius, Matthias – Sterben und Auferstehen.

Du Menschenkind, sieh‘ um dich her …
Und weißt du eine Lehre,
Die größer und die tröstlicher
Für uns hienieden wäre –

Dort, wo die Sieges-Palmen weh’n,
Ist Seien nur, ist kein Werden,
Kein Sterben und kein Aufersteh’n,
Wie hier bei uns auf Erden.

Dort freu’n sie ewig, ewig sich,
Ist ewig Licht und Friede,
Das Leben quillt dort mildiglich
Aus sich, und wird nicht müde.

Doch dieser Unterwelt ist nicht
Solch glorreich Los gegeben:
Hier ist ohn‘ Finsternis kein Licht,
Und ohne Tod kein Leben.

Der Löwe liegt und fäult und schwellt
Dann geht vom Fresser Speise;
Der Same in die Erde fällt
Und stirbt, – und keimt dann leise.

Und die Natur ein Spiegel ist;
Es wird darin vernommen,
Was deinem Geist du schuldig bist,
Soll er zum Leben kommen.

Willst du wahrhaftig glücklich sein,
Auf festem Grunde bauen;
Musst du den Dornenweg nicht scheu’n,
Der Rosenbahn nicht trauen.

Einst war ein großer Mann bedacht,
Uns darin einzuweihen,
Und führte durch die lange Nacht
Das Volk zum Fest der Mayen.

D’rum spare dir viel Ungemach,
Du Menschenkind, und höre,
Und denke der Verleugnung nach,
Und jener großen Lehre:

In uns ist zweierlei Natur,
Doch ein Gesetz für Beide;
Es geht durch Tod und Leiden nur
Der Weg zur wahren Freude.

Claudius, Matthias – P und C bei dem Begräbnis ihres I

So wie ein Ackersmann die Saat
Auf seinen Acker streuet,
Und, wenn er sie gestreuet hat,
Sich auf die Ernte freuet;

So freuen auch mit Tränen wir
Uns auf den Erntetag,
Und bringen unsern Knaben hier
Hin in sein Schlafgemach;

Dass er nach Ungemach und Not,
Die langsam ihn verzehrt,
Nun Ruhe habe, bis ihn Gott
In seiner Ruhe stört;

Wenn die Triumphposaune schallt,
Und er in seiner Gruft
Die Stimme hört, die mit Gewalt
Durch alle Gräber ruft;

Und dann hervor geht, jung und schön,
Nachdem es Gott gefällt;
Und wir ihn fröhlich wiederseh’n,
In einer bessern Welt,

Wie wir ihn hier in Elend sah’n,
Und er uns ungetrübt,
Uns ohne Ende lieben kann,
Wie er uns hier geliebt.

Schlaf‘ wohl denn, bis die Stimme ruft!
Wir gönnen dir dein Glück,
Und geben heim von deiner Gruft,
Und lassen dich zurück.