Johann Heermann – Jesu, deine tiefen Wunden

1. Jesu, deine tiefen Wunden,
Deine Qual und bittern Tod
Laß mir geben alle Stunden
Trost in Leibs- und Seelennot!
Wenn mir fällt was Arges ein,
Laß mich denken deiner Pein,
Daß ich deine Angst und Schmerzen
Wohl erwäg in meinem Herzen!

2. Will sich gern in Wollust weiden
Mein verderbtes Fleisch und Blut,
Laß mich denken, daß dein Leiden
Löschen muß der Hölle Glut!
Dringt der Satan ein zu mir,
Hilf, daß ich ihm halte für
Deiner Wunden Mal und Zeichen,
Daß er von mir müsse weichen!

3. Wenn die Welt mich will verführen
Auf die breite Sündenbahn,
Wollst du mich also regieren,
Daß ich alsdann schaue an
Deiner Marter Zentnerlast,
Die du ausgestanden hast,
Daß ich kann in Andacht bleiben,
Alle böse Lust vertreiben!

4. Gib für alles, was mich kränket,
Mir aus deinen Wunden Saft;
Wenn mein Herz hinein sich senket,
So gib neue Lebenskraft,
Daß mich stärk in allem Leid
Deines Trostes Süßigkeit,
Weil du mir das Heil erworben,
Da du bist für mich gestorben.

5. Laß auf deinen Tod mich trauen,
O Mein Gott und Zuversicht!
Laß mich feste darauf bauen,
Daß den Tod ich schmecke nicht!
Deine Todesangst laß mich
Stets erquicken mächtiglich;
Herr, laß deinen Tod mir geben
Auferstehung, Heil und Leben!

Quelle: Hymns of the 1912 Lutheran Hymnal for Church, School and Home Evangelical Lutheran Synod of Wisconsin and other States

Heermann, Johannes – Buß- und Sterbegesänglein.

Aus S. Bernhardi Vermahnung.

Im Ton: Hie lieg ich armes Würmelein.

O Mensch, bedenke stets dein End,
der Tod doch Leib und Seele trennt.
Gehorche Gott und dich bekehr,
mit Sünden nicht dein Herz beschwer.
Hier bleibst du nicht, du mußt davon,
wie du hier lebst, ist dort der Lohn.

Wo sind die Kinder dieser Welt
mit ihrer Wollust, Pracht und Geld?
Wo sind die noch vor wenig Zeit
bei uns stolzierten voller Freud?
Sie sind dahin, all ihre Hab
ist nichts denn Stank und Staub im Grab.

Hieran gedenk, o Menschenkind,
bedenke, was sie worden sind.
Sie waren Menschen, gleich wie du,
die meiste Zeit sie brachten zu
In Wollust, aber ach, wie schnell
sind sie gefahren zu der Höll.

Hier wird ihr Leib der Würmer Kost,
die Seel dort leidet Hitz und Frost,
Bis sie der HERR am jüngsten Tag
zusammen bringen wird mit Klag
Und stürzen in das Schwefelfeur
zu allen Teufeln ungeheur.

Denn weil sie hier mit Üppigkeit
gedient dem Satan haben beid,
An ihre Buße nie gedacht
und an die finstre Todes-Nacht,
So ists auch recht, daß sie zugleich
dort leiden Qual ins Teufels Reich.

Was hilft sie nun ihr Ehr und Gut,
ihr Wollust, Macht und Uebermuth?
Wo ist ihr Lachen, Spiel und Scherz,
wo ist ihr Stolz und freches Herz?
Diß alles ist in lauter Pein
verwandelt, der kein End wird sein.

Was Gott an ihnen hat gethan,
bezeugt, daß er auch solches kann
An dir erweisen. Du bist Erd,
trittst Erd und wirst von Erd genährt,
zu Erden wirst du nach dem Tod
auch werden, gleichwie Mott und Koth.

Merk und behalt diß, was ich sag,
vergiß nicht deinen Todestag,
Wie schnell er brechen wird herein:
vielleicht möcht es noch heute sein.
Der Tod mit dir macht keinen Bund:
wie, wann er käm jetzt diese Stund?

Gewis ists, daß du sterben mußt:
wann, wie und wo ist unbewußt.
An allem Ort, all Augenblick
wirft aus der Tod sein Netz und Strick:
Bist du nun klug, so sei bereit
und warte sein zu jeder Zeit.

Trau nicht auf deinen stolzen Leib,
das Sündenrad nicht weiter treib:
Wirst du in Bosheit fahren fort,
so fährest du zur Höllen Pfort.
Gott ist gerecht: Er straft die Sünd,
er straft dort, wie er dich hier findt.

Denn wer die Welt mehr liebt als Gott,
mit Frömmigkeit nur treibt ein’n Spott,
Lebt täglich, wie der reiche Mann,
in Völlerei, aufs best er kann:
Dem Teufel dienet er auf Erd,
wird mit ihm gleicher Straf gewährt.

O Jesu Christe, der du mich
aus Finsternis so gnädiglich
Berufen hast zu deinem Licht,
hilf, daß ich mich gleich stelle nicht
Dem Wesen dieser argen Welt,
die ganz mit Bosheit ist vergällt.

Verleih, daß ich aus aller Macht
die Welt mit ihrer Lust veracht,
Und trachte stets nach deinem Reich,
da ich werd sein den Engeln gleich,
Da man dein auserwählten Kind
in höchster Freud beisammen sindt.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder

Heermann, Johannes – Ein christlicher Gesang um neuen Gehorsam

aus den Worten Augustini
Im Ton: In dich hab ich gehoffet, HERR.

Ich armer Sünder weiß, o Gott,
weil du für mich hast in den Tod
dein liebsten Sohn gegeben:
Du liebest mich
beständiglich
und schenkst mir Heil und Leben.

Darum ich schuldig mich befind,
daß ich, o Vater, als dein Kind
Gehorsam dir erzeige,
Allzeit mein Herz
in Freud und Schmerz
mit Liebe zu dir neige.

Werth bin ich nicht ob meiner Sünd,
daß ich dir dien und heiß dein Kind,
doch, weil diß ist dein Wille,
Durch deinen Geist
mir Hilfe leist,
daß ich ihn recht erfülle.

Verleih, daß ich mein Leben führ,
o treuer Gott, zu Ehren dir,
daß ichs auch wol beschließe,
An Christum glaub
und standhaft bleib,
den bittern Tod durchsüße.

Daß ich mit Fried und Freud hinfuhr,
die Seel in deiner Hand bewar,
da sie kein Angst wird schmecken,
Gib, daß der Leib
fein sicher bleib,
bis du ihn wirst erwecken.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder

Heermann, Johannes – Gott, Du frommer Gott

Gott, du frommer Gott,
Du Brunnquell guter Gaben,
Ohn den nichts ist, was ist,
Von dem wir alles haben:
Gesunden Leib gib mir,
Und daß in solchem Leib
Ein unverletzte Seel
Und rein Gewissen bleib.

Laß mich mit jedermann
In Fried und Freundschaft leben,
Soweit es christlich ist.
Willst du mir etwas geben
An Reichtum, Gut und Geld,
So gib auch dies dabei,
Daß von unrechtem Gut
Nichts untermenget sei!

Gib, daß ich tu mit Fleiß,
Was mir zu tun gebühret,
Wozu mich dein Befehl
In meinem Stande führet!
Gib, daß ichs tue bald,
Zu der Zeit, da ich soll,
Und wenn ichs tu, so gib,
Daß es gerate wohl!

Soll ich auf dieser Welt
Mein Leben höher bringen,
Durch manchen sauern Tritt
Hindurch ins Alter dringen,
So gib Geduld. Vor Sünd
Und Schanden mich bewahr,
Auf daß ich tragen mag
Mit Ehren graues Haar!

Hilf, daß ich rede stets,
Womit ich kann bestehen,
Laß kein unnützes Wort
Aus meinem Munde gehen;
Und wenn in meinem Amt
Ich reden soll und muß,
So gib den Worten Kraft
Und Nachdruck ohn Verdruß!

Laß mich an meinem End
Auf Christi Tod abscheiden,
Die Seele nimm zu dir
Hinauf zu deinen Freuden,
Dem Leib ein Räumlein gönn
Bei frommer Christen Grab,
Auf daß er seine Ruh
An ihrer Seite hab.

Findt sich Gefährlichkeit,
So laß mich nicht verzagen;
Gib einen Heldenmut,
Das Kreuz hilf selber tragen!
Gib, daß ich meinen Feind
Mit Sanftmut überwind
Und, wenn ich Rats bedarf,
Auch guten Rat erfind!

Wenn du an jenem Tag
Die Toten wirst aufwecken,
So tu auch deine Hand
Zu meinem Grab ausstrecken;
Laß hören deine Stimm
Und meinen Leib weck auf
Und führ ihn schön verklärt
Zum auserwählten Hauf!

Hymns of the 1912 Lutheran Hymnal for Church, School and Home

Heermann, Johannes – O Jesu Christe, wahres Licht

1) O Jesu Christe, wahres Licht,
Erleuchte, die dich kennen nicht,
Und bringe sie zu deiner Herd,
Daß ihre Seel auch selig werd!

2) Erfüll mit deinem Gnadenschein,
Die in Irrtum verführet sein,
Auch die, so heimlich fichtet an
In ihrem Sinn ein falscher Wahn!

3) Und was sich sonst verlaufen hat
Von dir, das suche du mit Gnad
Und sein verwundt Gewissen heil,
Laß sie am Himmel haben teil!

4) Den Tauben öffne das Gehör,
Die Stummen richtig reden lehr,
Die nicht bekennen wollen frei,
Was ihres Herzens Glaube sei!

5) Erleuchte, die da sind verblendt,
Bring her, die sich von uns getrennt,
Versammle, die zerstreuet gehn,
Mach feste, die im Zweifel stehn!

6) So werden sie mit uns zugleich
Auf Erden und im Himmelreich,
Hier zeitlich und dort ewiglich
Für solche Gnade preisen dich.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder

Heermann, Johannes – Treue Vermahnung aus dem h. Augustino daß man die Buße nicht aufschieben soll.

Im Ton: Vater unser im Himmelreich.

SO wahr ich lebe, spricht dein Gott,
mir ist nicht lieb des Sünders Tod,
Vielmehr ist diß mein Wunsch und Will,
daß er von Sünden halte still,
Von seiner Bosheit kehre sich
und lebe mit mir ewiglich.

Diß Wort bedenk, o Menschenkind,
verzweifle nicht in deiner Sünd:
Hier findest du Trost, Heil und Gnad,
die Gott dir zugesaget hat,
Und zwar mit einem teuren Eid;
o selig, dem die Sünd ist leid!

Doch hüte dich vor Sicherheit:
denk nicht, zur Buß ist noch wol Zeit,
Ich will erst fröhlich sein auf Erd:
wann ich des Lebens müde werd,
Alsdann will ich bekehren mich,
Gott wird wol mein erbarmen sich.

Wahr ists: Gott ist wol stets bereit
dem Sünder mit Barmherzigkeit,
Doch wer auf Gnade sündigt hin,
fährt fort in seinem bösen Sinn
Und seiner Seelen selbst nicht schon,
dem wird mit Ungnad abgelohnt.

Gnad hat dir zugesaget Gott
von wegen Christi Blut und Tod:
Zusagen hat er nicht gewollt,
ob du bis morgen leben sollt;
Daß du mußt sterben ist dir kund:
verborgen ist des Todes Stund.

Heut lebst du, heut bekehre dich,
eh morgen kommt kanns ändern sich;
Wer heut ist frisch, gesund und roth,
ist morgen krank, ja wol gar todt:
So du nun stirbest ohne Buß,
dein Seel und Leib dort brennen muß.

Hilf, ob HErr Jesu! hilf du mir,
daß ich noch heute komm zu dir
Und Buße thu den Augenblick,
eh mich der schnelle Tod hinrück,
Auf daß ich heut und jederzeit
zu meiner Heimfahrt sei bereit.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder

Heermann, Johannes – Trostgesänglein, darinnen ein betrübtes Herz alle seine Sünden mit wahrem Glauben auf Christum leget.

Aus Taulero.

Im Ton: Auf meinen lieben Gott.

WO soll ich fliehen hin,
weil ich beschweret bin
Mit viel und großen Sünden?
wo kann ich Rettung finden?
Wann alle Welt herkäme,
mein Angst sie nicht wegnähme.

O JESU voller Gnad!
auf dein Gebot und Rath
Kommt mein betrübt Gemüthe
zu deiner großen Güte:
Laß du auf mein Gewißen
ein Gnadentröpflein fließen.

Ich, dein betrübtes Kind,
werf alle meine Sünd,
So viel ihr in mir stecken
und mich so heftig schrecken,
In deine tiefen Wunden,
da ich stets Heil gefunden.

Durch dein unschuldig Blut,
die schöne rothe Flut,
Wasch ab all meine Sünde,
mit Trost mein Herz verbinde,
Und ihr nicht mehr gedenke,
ins Meer sie tief versenke.

Du bist der, der mich tröst,
weil du mich selbst erlöst:
Was ich gesündigt habe
hast du verscharrt im Grabe,
Da hast du es verschloßen,
da wirds auch bleiben müßen.

Ist meine Bosheit groß,
so werd ich ihr doch los,
Wann ich dein Blut auffaße
und mich darauf verlaße:
Wer sich zu dir nur findet,
all Angst ihm bald verschwindet.

Mir mangelt zwar sehr viel,
doch was ich haben will,
Ist alles mir zu gute
erlangt mit deinem Blute:
Damit ich überwinde
Tod, Teufel, Höll und Sünde.

Und wenn des Satans Heer
mir ganz entgegen wär,
Darf ich doch nicht verzagen:
mit dir kann ich sie schlagen,
Dein Blut darf ich nur zeigen,
so muß ihr Trotz bald schweigen.

Dein Blut, der edle Saft,
hat solche Stärk und Kraft,
Daß auch ein Tröpflein kleine
die ganze Welt kann reine,
Ja gar aus Teufels Rachen
frei, los und selig machen.

Darum allein auf dich,
HERR Christ, verlaß ich mich.
Jetzt kann ich nicht verderben,
dein Reich muß ich ererben,
Denn du hast mirs erworben,
da du für mich gestorben.

Führ auch mein Herz und Sinn
durch deinen Geist dahin,
Daß ich mög alles meiden,
was mich und dich kann scheiden,
Und ich an deinem Leibe
ein Gliedmaß ewig bleibe.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder

Heermann, Johannes – Um Beßerung des Lebens.

Aus den Worten Augustini.

Im Ton: Was mein Gott will, das gescheh rc.

HIlf mir, mein Gott, hilf, daß nach dir
von Herzen mich verlange,
Und ich dich suche mit Begier,
wann mir wird angst und bange!
Verleih, daß ich
mit Freuden dich
in meiner Angst bald finde,
Gib mir den Sinn
daß ich forthin
meid alle Schand und Sünde.

2. Hilf, daß ich stets mit Reu und Schmerz
mich deiner Gnad ergebe,
Hab täglich ein zerknirschte Herz,
in wahrer Buße lebe,
Vor dir erschein,
herzlich bewein
all meine Missethaten,
Die Hände fein
laß‘ milde sein,
dem Dürftigen zu rathen.

Die Lust des Fleisches dämpf in mir,
daß sie nicht überwinde;
Rechtschaffne Lieb und Lust zu dir
in meinem Herz’n anzünde;
Daß ich in Noth
bis in den Tod
dich und dein Wort bekenne,
Und mich kein Trutz
noch eigen Nutz
von deiner Wahrheit trenne.

Behüte mich vor Grimm und Zorn,
mein Herz mit Sanftmuth ziere.
Reiß aus den schnöden Hoffartsdorn,
zur Demuth mich anführe.
Was ich noch find
von alter Sünd,
durch deinen Geist ausfege.
Gib, daß allzeit
Trost, Fried und Freud
sich in mir Armen rege.

Den Glauben stärk, die Lieb erhalt,
die Hoffnung mache feste,
Daß ich von dir nicht wanke bald,
Beständigkeit ists beste.
Den Mund bewar,
daß nicht Gefahr
durch ihn mir werd erwecket.
Speis ab den Leib,
doch daß er bleib
von Geilheit unbeflecket.

Gib, daß ich treu und fleißig sei
in dem, was mir gebühret.
Laß durch Ehrgeiz und Heuchelei
mich werden nicht verführet.
Leichtfertigkeit,
Haß, Zank und Neid
laß in mir nicht verbleiben.
Verstockten Sinn
und Diebsgewinn
wollst du von mir abtreiben.

Hilf, daß ich folge treuem Rath,
von falscher Meinung trete:
Den Armen helfe mit der That,
für Freund und Feind stets bete;
Dien jedermann
so viel ich kann,
das Böse haß und meide,
Nach deinem Wort,
an allem Ort,
bis ich von dannen scheid.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder

Johannes Heermann – Wenn dein herzliebster Sohn

Im Ton: Allein Gott in der Höh sei Ehr.

Wenn dein herzliebster Sohn, o Gott,
nicht wär auf Erden kommen,
Und hätt, da ich in Sünden todt,
mein Fleisch nicht angenommen,
So müßt ich armes Würmelein
zur Hölle wandern in die Pein
um meiner Sünde willen.

Jetzt aber hab ich Ruh und Rast,
darf nimmermehr verzagen,
Weil Er die schwere Sündenlast
für mich hat selbst getragen:
Er hat mit dir versöhnet mich,
da er am Kreuz ließ tödten sich,
auf daß ich selig würde.

Drum ist getrost mein Herz und Muth
mit kindlichem Vertrauen:
Auf diß sein rosenfarbes Blut
will ich mein Hoffnung bauen,
Das er für mich vergoßen hat,
gewaschen ab die Missethat,
und mir das Heil erworben.

An seinem Blut erquick ich mich
und komm zu dir mit Freuden,
Ich suche Gnad demüthiglich:
von dir soll mich nichts scheiden:
Was mir erworben hat dein Sohn
durch seinen Tod und Marterkron,
kann mir kein Teufel rauben.

Nichts hilft mich die Gerechtigkeit,
die vom Gesetz herrühret:
Wer sich in eignem Werk erfreut,
wird jämmerlich verführet:
Des Herren Jesu Werk allein
das machts, daß ich kann selig sein,
der ichs mit Glauben faße.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder

Johannes Heermann – Wie ein jeder Mensch seiner Seelen treulich warnehmen soll.

Aus D. Bernhardo.

Im Ton: Ach Gott vom Himmel sieh darein.

WAs willst du armer Erden-Kloß
so sehr mit Hoffart prangen?
Dein Elend ist zu viel und groß:
du bist in Sünd empfangen,
Mit Schmerz geboren auf die Welt,
Schmerz dein ganz Leben überfällt,
mit Schmerz mußt du von dannen.

Was zierest du den Leib, das Haus,
drin alles Siechtum stecket?
Und queichelst ihn so zärtlich aus
mit dem, was ihm wol schmecket?
Weißt du denn nicht, nach wenig Tag
daß er muß sterben mit Wehklag
und ihn die Würmer freßen?

Vielmehr die edle Seele zier
mit Buß und guten Werken,
Das Himmelbrot ihr setze für,
dadurch sie sich kann stärken.
Denn sie ists, die da frei vom Tod
im Himmel schweben soll vor Gott
und allen heilgen Engeln.

Warum pflegst du des Fleisches wol
und läßt die Seel verschmachten?
Ists recht, daß man die Magd jetzt soll
mehr denn die Frau selbst achten?
Der Geist führt sonst das Regiment:
bei dir ist solches umgewendt,
das Fleisch den Geist regieret.

Gott selbst, der größte HERR und Held,
des Menschen Seel hoch schätzet
Und sie weit über alle Welt
und alle Himmel setzet:
Denn für wen hat Er seinen Sohn,
sein höchste Zierde, Freud und Kron,
ins Kreuzes Pein gegeben?

Traun! nicht dem Himmel, nicht der Erd
ist diß zu gut ergangen:
Des Menschen Seel, so teur und werth,
hat diese Gnad empfangen;
Die ist ein solch teur Pfand und Gut,
das ohne seines Sohnes Blut
nicht könnt erlöset werden.

Ist deine Seel so hoch vor Gott,
wie kannst du sie denn haßen
Und wagen hin, als wär es Koth,
den man findt auf der Gaßen?
Gedenk, daß Gottes liebster Sohn,
gestiegen von des Himmels Thron,
sie hat vom Tod errettet.

Denn als Er sie in schwerer Schuld
vom Teufel fand gebunden,
Und sie verdammet werden sollt
zur Höllen alle Stunden:
Vor Jammer ihm zerbrach sein Herz,
er weinte über ihren Schmerz,
davon sie selbst nichts wußte.

Ja, das noch mehr, so ließ er sich
um ihretwillen tödten,
Errettet‘ sie ganz kräftiglich
aus allen ihren Nöthen:
Sein Blutschweiß war das Lösegeld,
das Er, der Heiland aller Welt,
für sie baar ausgezahlet.

An dieses Opfer denke stets,
das für dich ist gegeben.
Nicht mehr so schlecht die Seele schätz,
thu Gott nicht widerstreben:
Schau doch, wie sehr war sie verwundt,
daß sie sonst nichtes heilen konnt,
denn Christi Blut und Striemen.

Wenn sie der Satan nicht zu Grund
der alles Unglück stiftet,
Durch List mit seinem Lügenmund
bis in den Tod vergiftet,
So hätte Gottes Sohn den Tod
und so viel Marter, Hohn und Spott
am Kreuz nicht leiden dürfen.

Darum, o Mensch, verachte nicht
das groß und schwere Leiden,
Das er für dich hat selbst verricht:
thu alle Bosheit meiden.
Schau doch, wie sich so treulich hat
des Sohnes Gottes Majestat
in Noth dein angenommen.

Hilf Gott, daß ich mein Lebenlang
diß alles recht bedenke,
Für deine Treu dir Lob und Dank
in tiefster Demuth schenke,
Daß ich von Sünden trete ab,
mein Herz bei dir im Himmel hab,
nach meinem Heil stets trachte.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder