Arndt, Ernst Moritz – Abschiedslied.

Schon dunkeln meine Lebenstage
Sich tief hinab zum Abendschein,
Und ernster fragt die große Frage:
Was bist du? sprich! was wirst du sein?
Wie löst das Räthsel deines Lebens
Sich hinter deinem Grabe auf?
War all dein Streben nicht vergebens?
War eitel Irrlauf nicht dein Lauf?

Ja wohl, die letzten Glockenschläge,
Der letzte Strahl des Abendlichts
Was klingen sie im Busen rege?
Was leuchtet er aus deinem Nichts?
Was melden deiner Augen Thränen?
Was wird im kranken Herzen wach?
O all dein Irren Träumen Sehnen,
Des Lebens langes Weh und Ach.

So ist’s: Mit Düsterniß umhangen
Wie oft war dir die wunde Brust,
Ein Dorn dein Sehnen und Verlangen,
Ein Gift die Süßigkeit der Lust;
Wie mogte sich der Blinde hüten
Auf bunter Täuschung Blumenfeld,
Wo oft die Natter unter Blüthen
Den Biß auf ihren Pflücker schnellt?

Doch still! Auch lieblich ist verklungen
Dir mancher schöne Erdentag,
Von Gottes Lieb‘ und Lust durchsungen,
Die tönt Erinn’rung fröhlich nach.
Ja, Gott, ich danke für dein Werde!
Für’s Wonnewort Es werde Licht!
Für deine schöne grüne Erde
Und all ihr Sonnenangesicht.

Ja Dank dir, Herr, für reiche Freude
Auf schwerstem längsten Pilgergang.
Es macht des Abends Schlafgeläute
Dem müden Wandrer nimmer bang;
Wie oft er auch auf wüstem Pfade
Von deinem Lichte tief verirrt,
Er weiß, daß deine Huld und Gnade
Ihn nimmermehr verlassen wird.

Nein, nimmer! Felsen sind die Worte,
Die Worte dein, Herr Jesus Christ,
Durch welche mir die Himmelspforte
Der Gnade weit geöffnet ist.
Mag dieser Erde Licht verscheinen,
Mag diese Sonne untergeh’n,
Ich werde selig mit den Deinen
Lobsingend steh’n auf höhern Höh’n.

Ja, süßer Heiland, mit den Deinen,
Sei auch ich unter Kleinsten klein –
Dein Licht wird ewig auf mir scheinen,
Dein Glanz wird ewig bei mir sein.
Hier gilt kein Zagen und kein Fragen,
Hier gilt: Halt fest, den Glauben fest,
Daß Gott nach diesen Dunklen Tagen
Dir hellere Sterne scheinen läßt.

 

Arndt, Ernst Moritz – Ermunterung.

Willst du sinken, nicht als sinken
Armes krankes Menschenherz?
Immer nur den Becher trinken,
Den dir füllet Sorg und Schmerz?
Immer alles nur in grauen
Schwarzen Erdenfarben seh’n?
Lerne doch nach oben schauen,
Wo die hellen Sterne geh’n.

Dahin schau! da ist dein Eigen,
Da dein altes Heimathland,
Dahin schau! und ferne steigen
Aus dem dürren Erdensand
Aus dem trüben Nebelstaube
Nimm den Flug und zittre nicht,
Glaube, was der Christenglaube
Schon zweitausend Jahre spricht.

Da hinauf! da ist dein Streiter,
Vor dem Noth und Tod zerfällt,
Dahin schau! und hell und heiter
Blüht dir wieder Gottes Welt;
Schaue, schau auf diesen Einen
Immer steht der Held bereit,
Der sein Himmelslicht läßt scheinen
Auf dein kurzes Erdenleid.

Ja, auf diesen Einen, deinen
Heiland schaue, halte fest
An dem Einen, der die Seinen
Nun und nimmermehr verläßt;
Auf ihn sollst allein du schauen,
Der vom Himmel niederkam,
Der hinweg des Todes Grauen
Und der Hölle Schrecken nahm.

Schaue, suche! du wirst finden,
Halt, was du gefunden hast,
Und so gib den leichten Winden
Alle schwere Erdenlast.
Muthig! denn der höchste Sieger
Schreitet dir im Streit voran,
Und die Loosung tönt dem Krieger:
Sei ein Christ und steh als Mann.

Arndt, Ernst Moritz – Klage und Trost.

O Erde, Land der Thränen,
Voll Unlust und voll Lust,
Voll Träumen und voll Sehnen
Der kranken Menschenbrust,
Voll Lichter und voll Schatten
Vielfacher Täuscherei,
Wo was wir heute hatten
Ist morgen schon vorbei.

Ja, bunter Gaukelschimmer
Ist diese bunte Welt,
Die mit der Kugel immer
Im Wechsel steigt und fällt,
Wo Blinde unter Blinden
Sich stoßen hin und her
Und Ruh und Frieden finden
Die Herzen nimmermehr.

Hier läufst du in der Irre,
Mensch, zwischen Nacht und Licht,
Und findest im Gewirre
Die rechte Straße nicht,
Auf tausend falschen Wegen,
Der bunten Täuschung Spiel,
Bald feige bald verwegen
Läufst du vorbei dem Ziel.

Und tiefer stets und weiter
Läuft fort die Biesterniß,
Kein Zeiger, kein Geleiter
Macht dich des Wegs gewiß;
Nur Einer hält den Faden,
Der durch die Wirren führt,
Er, der auf Sternenpfaden
Das große All regiert.

Drum nach den Sternenpfaden,
Nach oben mußt du schau’n,
Dort vor dem Licht der Gnaden
Entfliehen Nacht und Grau’n,
Von dort geht heller Morgen
Dir schon hienieden auf,
Vor Lug und Trug geborgen
Läuft klar dein Lebenslauf.

Dahin! dahin! von hinnen
Zum lichten Heimathland
Mit Herzen und mit Sinnen
Vom eitlen Erdentand!
So fliege, froher Flieger,
Empor im Muth des Lichts!
So schreite, tapfrer Sieger,
Hin durch die Nacht der Nichts!

Arndt, Ernst Moritz – Neujahrstrost

Einst stieg ein höchster Geist herab,
Der Erste aller Gottgebornen,
Der Sieger über Tod und Grab,
Das Licht der armen Nachtverlornen,
Das Licht in grauser Finsterniß
Der rings in Trug und Wahn Verirrten,
Die jedes Weges ungewiss
Gespenster düstern Grau’ns umschwirrten.

Hier ging er in Gestalt des Knechts
Durch Lug und Trug und Leid der Erden,
Daß ihres hohen Götterrechts
Die Menschen sollten inne werden,
Daß wieder würden aufgethan
Die lang verschlossnen Himmelsfenster,
Vernichtet düstrer Höllenwahn,
Verjagt der Hölle Nachtgespenster;

Daß die, so Gott für’s Licht erschuf,
Die gar in Finsterniß verzagten,
Aufhorchten auf den Himmelsruf
Und nach den Heimathsternen fragten,
Daß wieder zu den lichten Höh’n
Die Geister regten alle Schwingen,
Aus Erdenmühen, Erdenweh’n
Ins Himmelreich emporzudringen.

Du Liebesheld, mein Hort, mein Muth,
Du hast die Hölle zugeriegelt,
Du hast am Kreuz mit deinem Blut
Den heil’gen Liebesbund besiegelt
Du Liebesheld, das ist das Wort,
Das Wort der Gnade, Wort der Treue,
Das jagt die Erdenschrecken fort
Und macht aus Sünderknechten Freie.

O komm, mein Held, mein Muth im Streit,
Im Streit des Blinden unter Blinden,
Hilf, hilf im Trug der Eitelkeit
Der Wahrheit grade Wege finden!
Dann mag ich fröhlich frisch und fromm
Fortpilgern dein geweihter Streiter
Und endlich rufen: Komm! o komm,
Mein Liebesheld! denn ich will weiter.

Ja wann es klingt hinweg! hinab!
Wann klingt die Glocke du mußt weiter!
Dann komm, komm, sei durch Tod und Grab
Mir Helfer Tröster und Geleiter –
Dann, wann auf all mein Erdennichts
Die letzten Schatten niederdunkeln,
Laß dann den Glanz des sel‘gen Lichts
Mit Himmelsleuchtung mich umfunkeln.

Arndt, Ernst Moritz – Trost in Gott.

Und willst du gar verzagen,
Du armes Menschenherz
In Sorgen Ängsten Klagen
Im feigen Erdenschmerz?
Und missest doch nach Spannen
Dein kurzes Glück und Leid,
Das rinnt geschwinde dannen
Ins Meer der Ewigkeit.

Nach oben mußt du sehen,
Hier unten find‘st du’s nicht,
Nur in den Himmelshöhen,
Nur da ist Trost und Licht;
Was hier die Stunden bringen
Macht Muth der Stärksten scheu,
Von oben muß dir klingen
Der Klang von Gottes Treu.

Vom hohen Sterngewölbe
Herab erklingt der Klang
Stets gleich und stets derselbe
Bleibt Gottes Weltengang;
Dort in der heitern Bläue,
Dort steht die feste Welt,
Dort wohnt der Ewigtreue,
Der alles wohl bestellt.

Am hohen Sterngewölbe
Da strahlt in Sternenschrift D
er Gleiche und Derselbe,
Den nimmer Wechsel trifft;
Daß sich der Glaube freue,
Daß zittre Lug und Spott
Strahlt dort der Ewigtreue
Der Gute Fromme Gott.

Dahin! da ist dein Himmel,
Da ist dein Heimathland,
Das dir im Erdgewimmel
Verdunkeln Leid und Tand;
Da klingen Wunderklänge,
Die machen frisch und neu,
Da klingen die Gesänge
Von Gottes Lieb und Treu.

Dahin! dahin! und lerne
Was so hernieder klingt,
Was auf dem höchsten Sterne
Das Heilig! Heilig! singt;
Dann wird dir stets aufs neue
Aufgeh’n sein Gnadenschein,
Er selbst, der Ewigtreue
Mit in und bei dir sein.

Arndt, Ernst Moritz – In allen meinen Thaten.

(Paul Flemming und ich.)

In allen meinen Thaten
Laß ich den Höchsten rathen,
Der alles kann und hat;
Er muß zu allen Dingen
Soll’s anders wohl gelingen,
Selbst geben seinen Rath und That.

Was Menschen nicht verstehen,
Das herrscht in Himmelshöhen
Als Weisheit Huld und Macht.
Die Drei sind treue Wächter
Der irdischen Geschlechter,
Und halten Gottes fromme Wacht.

Er hat in jenen Höhen
Mir mein Geschick ersehen,
Dahin geht all mein Schau’n;
Sei’s helle, sei es trübe,
Ich will auf seine Liebe,
Die unergründlich reiche bau’n.

Sei, liebe Seele, seine
Und traue dem alleine,
Der dich geschaffen hat.
Er leite dich in Gnaden,
Als gingst auf Erdenpfaden
Du schon den hellen Himmelspfad.

Arndt, Ernst Moritz – Sonntagslied.

Es ist Sonntag und ist stille
Von allem wilden Thun,
Es ist des Höchsten Wille,
Heut soll die Arbeit ruh’n,
Aus allen wirren Leben
Und aus Mühseligkeit
Soll heut der Mensch sich heben
Zu Gott, zur Ewigkeit.

O größter Held der Gnaden,
O süßer Jesus Christ,
Durch den die Welt geladen
Zur Himmelsfreude ist,
Hilf, hilf uns aus den Schmerzen
Der armen Zeitlichkeit!
Hilf! hebe du die Herzen
Zu Gott, zur Ewigkeit!

O hilf uns, hilf verstehen,
Du süßer Jesus Christ,
Warum du aus den Höhen
Des Himmels kommen bist,
Durch deine Liebesminne,
Durch dein Versöhnungswort
Schleuß Geister auf und Sinne
Heut für den Heimathsort.

Wann fromme Seher weisen,
Durchweht von Geistesweh’n,
Wovor die größten Weisen
Anbetend stille steh’n,
Das Heimathland der Sterne,
Der Geister Lebenslauf,
Schleuß diese sel‘ge Ferne,
Schleuß, Heiland, sie uns auf.

Was Menschenangesichter
Nicht schauen und versteh’n,
Das können, Licht der Lichter,
Allein durch dich wir seh’n
O dahin lehr‘ uns schauen,
Vom Erdenstaub zum Licht,
Gib Glauben, gib Vertrauen
Und Himmelszuversicht.

Es steht uns ja gerichtet
Das Aug zum Himmelsglanz,
Und wird’s von dir gelichtet,
So schaut’s den Himmel ganz;
Und ist das Herz befreiet
Durch dich von Erdengier,
So steh’n wir recht geweihet
Zur Sonntagsfreud vor dir.

Arndt, Ernst Moritz – Alterswehmuth.

O Erde, Land der Träume,
O Erde, Land des Trugs,
Willst du für hell’re Räume
Die Flügel meines Flugs
Mir immer wieder kürzen,
In deines Jammers Staub
Mich elend, niederstürzen,
In Jagd nach schlechtem Raub?

Es soll dir nicht gelingen,
Ich habe meinen Hort,
Der trägt auf Feuerschwingen
Mich durch die Himmel fort;
Ich habe meinen Meister,
Der Held und König ist
Er ist der Fürst der Geister
Und heißet Jesus Christ.

Er stieg vom Himmel nieder
Auf unsre Erdenau’n,
Damit wir Menschen wieder
Nach oben lernten schau’n,
Damit wir arme Wichte,
Von Wahn und Trug umstrickt,
Aufschauten nach dem Lichte,
Woraus die Gottheit blickt.

O König aller Liebe,
O Glanz der höchsten Lichts,
Wenn mir auch gar nichts bliebe,
Gar nichts in diesem Nichts,
Worum die Welt sich reißet,
Du bleibst mein Held und Hort,
Und was auch reißt und spleißet,
Nichts reist von dir mich fort.

So mag denn alles schweben
Im Wechsel hin und her,
Mir ist hinfort gegeben,
Was wechselt nimmermehr:
O Liebe Licht und Leben!
O süßer Gottesheld!
Du, du bist mir gegeben
Was frag‘ ich nach der Welt!

Arndt, Ernst Moritz – Muth der Christenseele.

Harre, harre, Christenseele,
Harre todesmuthig aus,
Meilen nicht und Mühen zähle
Froher kommst du so nach Haus;
Frisch geschritten! frisch gestritten!
Bald erscheinet dir sein Schein.
Wie nach Millionen Schritten,
Wie wird süß die Ruhe sein!

Ist doch Einer vorgeschritten,
Der die besten Wege weiß,
Der die Fahnen aus der Mitten
Hebt der Schlachten schwer und heiß,
Der dir zeigt nach blutgem Streite
Immergrünen Siegeskranz,
Daß du strebest in die Weite
Fröhlich fort, als ging’s zum Tanz.

Harre aus! dein Heiland lebet,
Deine Hoffnung blühet grün,
Und die Kreuzesfahne schwebet
Siegreich über Erdenmüh’n.
Fröhlich drum und todesmuthig
Harre, Christenseele, aus!
Sey dein Kampf auch schwer und blutig,
Hell und herrlich steht dein Haus.

Haus der Christen hoch auf Sternen,
Wo die Geisterreigen stehn,
Wo die Nähen all und Fernen,
Wo die Meilen gar vergehn,
Wo man alle Erdenstraßen,
Allen Erdenstreit vergißt
Und nicht mehr nach Sonnenmaaßen
Die Unendlichkeit ermißt.

Haus der Christen, Haus der Sterne
Welche Wonne! welcher Glanz!
Harre, Seele, dulde gerne,
Fest im Aug den Siegeskranz.
Hoch den Blick zur höchsten Höhe!
Bad‘ ihn froh in Morgenroth!
Und zur Lust wird jedes Wehe
Und zum Leben wird der Tod.

Arndt, Ernst Moritz – Grablied.

Auf! laßt uns fröhlich singen
Ein Lied von Tod und Grab!
Gar Herrlich soll es klingen
Ins letzte Bett hinab:
Des Friedhofs stiller Hügel
Kein Leben deckt er zu,
Der Geist schwingt frohe Flügel
Und fliegt der Heimat zu.

Er sagt der grünen Erde
Die letzte gute Nacht,
Denn Arbeit Noth Gefährde
Sie sind mit Gott vollbracht,
Die Freuden und die Mühen
Der armen Sterblichkeit
Nun sieht er Kränze blühen
Im Lenz der Ewigkeit.

Nun sieht er hell im Lichte,
Was hier so dunkel war,
Des Herzens Traumgeschichte,
Des Lebens Räthsel klar,
Nun kann er ganz verstehen,
Was Gott, was Christus ist:
Wie wohl ist ihm geschehen,
Daß er gestorben ist!

Drum woll’n wir fröhlich singen
Ein Lied von Tod und Grab,
Ein Himmelslied soll klingen
Ins Erdenbett hinab!
Die Seele hat gewonnen
Das ew’ge Morgenroth
Und schaut aus heitern Wonnen
Hinab auf Grab und Tod.