Alber, Erasmus – Zeichen der letzten Zeiten

Gott hat das evangelium
Gegeben, daß wir werden fromm;
Die welt acht’t solchen schatz nicht hoch,
Der größte theil fragt nichts darnach.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

2. Man fragt nichts nach der guten lehr‘;
Der geiz und wucher nur vielmehr
Hat überhand genommen gar,
Noch sprechen sie: es hat kein‘ g’fahr.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

3. Täglich erdenkt man neue netz‘
Das sind der gottlosen gesetz.
Damit sie alles gut zu sich
Gern wollten reiß’n gewaltiglich.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

4. Man rühmt das evangelium,
Und will doch niemand werden fromm.
Fürwahr man spott’t den lieben Gott;
Noch sprechen sie: es hat kein‘ noth.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

5. Es ist doch eitel büberei,
Die welt treibt große schinderei.
Als ob kein Gott im himmel wär‘,
Das armuth muß sich leiden sehr.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

6. Die schätz‘ der kirchen nimmt man hin,
Das wird ihn’n bringen kein’n gewinn:
Die armen läßt man leiden noth
Und nimmt ihn’n aus dem mund das brod.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

7. Die schätz‘ der kirchen sind ihr gift,
Sie sind von ihnen nicht gestift’t:
Noch nehmen sie das kirchen-gut;
Sieh, was der leidig‘ geiz nicht thut.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

8. Man fragt nach Gott dem Herrn nicht mehr,
Die welt stinkt ganz nach eitler ehr‘,
Die hoffart nimmt ganz überhand,
Betrügen, lügen ist kein‘ schand.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

9. Wo bleibt die brüderliche lieb‘?
Die ganze welt ist voller dieb‘.
Kein‘ treu‘ noch glaub‘ ist in der welt,
Ein jeder spricht: Hätt ich nur geld!
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

10. Die welt will ihr nicht lassen wehr’n,
An Gott’s wort will sich niemand kehr’n:
Sie haben nichts gelernet mehr,
Denn nur fressen und saufen sehr.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

11. Ihr‘ größte kunst ist banketir’Än,
Und in der büberei studir’n:
Das kann sie aus der massen wohl,
Die welt ist aller schalkheit voll.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

12. Die liebe sonne kann nicht mehr
Zusehen, und entsetzt sich sehr:
Darum verliert sie ihren schein;
Das mag ein‘ große trübsal sein.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

13. Der mond und sterne ängsten sich,
Und ihr‘ gestalt steht jämmerlich;
Wie gern sie wollten werden frei
Von solcher großen büberei.
Das ist ein zeichen vor dem jüngsten tag.

14. Darum komm, lieber Herre Christ!
Das erdreich überdrüßig ist,
Zu tragen solche höllen-bränd.
Drum mach’s einmal mit ihre ein end,
Und laß uns sehn den lieben jüngsten tag.

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